Zu Gast sein
Pastor Paul-Martin Gundert

Ich fuhr mit dem Zug zu meiner Frau nach München. Der Großraumwagen war voll besetzt. Neben mir saß ein Farbiger. In Kassel stiegen zwei Beamte der Bahnpolizei mit ein. Ganz gezielt gingen sie zu meinem Nachbarn und baten ihn, sich auszuweisen. Sie kontrollierten seine Papiere, telefonierten mit irgendeiner Stelle, alles war in Ordnung. Ich fragte sie, warum sie ausgerechnet meinen Nachbarn kontrollierten und niemand anderen. Sie erklärten mir ganz höflich, dass auf der Nord-Süd-Strecke viele illegal Eingereiste unterwegs seien. Damit war das Thema erledigt. Ich war erschrocken darüber, dass jeder, der anders aussieht, erst einmal unter Generalsverdacht steht, illegal durch Deutschland zu reisen.
Viele von uns fahren in dieser Zeit in den Urlaub. Ganz viele auch ins Ausland. Vielfach sind wir dort gern gesehene Gäste, manche Regionen im Ausland sind sogar auf den Tourismus angewiesen, ohne ihn ginge es ihnen finanziell ganz schlecht. Wir sind bereit, unser gutverdientes Geld dort in der Fremde für unsere Erholung auszugeben. Und wir reagieren sehr verärgert, wenn wir das Gefühl haben, wir werden abgezockt. Noch verärgerter sind wir, wenn wir spüren, wir sind als Urlauber aus Deutschland nicht willkommen. Das verletzt und nimmt die Freude und das Interesse an dem fremden Land.
Ich kann nur ahnen, wie es den Gästen in unserem Land gehen muss, wenn man sie von vorneherein nur wegen ihrer Hautfarbe unter Generalsverdacht stellt und als mutmaßliche illegal Eingewanderte ansieht. Ich glaube, ich würde so ein Land nicht noch einmal besuchen wollen.
„So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Bürger mit den Heiligen und Gottes Hausgenossen ( Eph2,19)“. Es tut gut zu wissen, dass wir bei Gott nicht unter Generalverdacht stehen, sondern willkommen sind als Freunde, als von ihm geliebte Menschen. Vielleicht lernen wir mit unseren Gästen freundlicher umzugehen. Vielleicht lernen wir uns als Gäste zu sehen und nicht als Hausherren.
Es grüßt Sie und wünscht Ihnen eine gesegnete Urlaubszeit, Pastor Paul-Martin Gundert