Wie man sich irren kann

Falk Wook, Pastor der Ev.-luth. Kirchengemeinde Zum Guten Hirten, Godshorn

Falk Wook, Pastor der Ev.-luth. Kirchengemeinde Zum Guten Hirten, Godshorn
Falk Wook, Pastor der Ev.-luth. Kirchengemeinde Zum Guten Hirten, Godshorn

Zu den Lieblingssendungen der älteren Frau gehörte die Sendung „Verstehen Sie Spaß?“. Der Moderator brachte Menschen in unvorhergesehene Situationen und nahm die Reaktionen dann mit einer versteckten Kamera auf. Am Abend vor unserer kleinen Geschichte, hatte die Frau eine dieser Sendungen gesehen. Dann sollte es ihr doch selbst passieren.

Nach dem Einkaufen in der Innenstadt wollte sie in einem Self-Service-Restaurant etwas essen. Sie suchte einen Platz an einem freien Tisch, hängte die Einkaufstaschen an den Stuhl und ging dann zum Tresen, um einen Teller Suppe und einen Salat zu holen. Als sie das Tablett mit den beiden Tellern auf ihren Tisch gestellt hatte, bemerkte sie, dass sie das Besteck vergessen hatte. Sie kehrte noch einmal zum Tresen zurück, nahm Löffel und Gabel und ging zu ihrem Platz. Zu ihrer großen Überraschung saß dort ein baumlanger dunkelhäutiger „Fremder“ und löffelte genüsslich den Teller Suppe. Blitzartig schoss ihr durch den Kopf: das kann nur ein Jux von „Verstehen Sie Spaß?“ sein. Sie setzte ein Fernsehlächeln auf, nahm neben dem „Fremden“ Platz und begann auch Suppe von dem Teller zu löffeln. Der „Fremde“ tat überrascht, schob ihr aber dann mit einem Lächeln den Teller entgegen. Das gleiche wiederholte sich beim Salat. Als beide Teller leer waren, holte -der „Fremde“ zwei Tassen Kaffee und stellte eine davon vor die Frau. Nach dem Kaffee verbeugte er sich kurz und verließ lächelnd das Lokal. Gut hatte sie das gemacht. Nun brauchte nur noch der Moderator kommen, die versteckte Kamera zu zeigen, um den Spaß aufzuklären. Doch sie wartete vergeblich. Die Zeit verging, kein Moderator kam. Schließlich wollte sie gehen und griff nach ihren Einkaufstaschen. Aber, oh Schreck, die Hände griffen ins Leere, da war keine Einkaufstasche mehr. "Dieser Ausländer" fuhr es ihr durch den Kopf. Wie konnte sie nur so vertrauensselig sein? Sie sprang auf und wollte gerade nach der Polizei rufen. Da fiel ihr Blick auf den Platz zwei Tische weiter. Dort stand immer noch ein Tablett mit einem Teller Suppe und einem Salat ohne Besteck. Sie war also aus Versehen an den falschen Tisch geraten. Beschämt und nachdenklich ging sich nach Hause.

Ich denke, es ist an der Zeit diese Geschichte wieder zu erzählen. Nicht nur, dass wir es hier mit den ganz alltäglichen Vorurteilen „Fremden“ gegenüber zu tun haben, oder einem weit verbreiteten Rassismus. Nein, es geht auch um die Unbeirrbarkeit der eigenen Überzeugungen, oder der eigenen eingebildeten Wahrheit, mit der heute von Populisten politisch Kasse gemacht wird. Ich denke dabei an Wahlen, wie in Thüringen, wo eine Partei, die dem Faschismus das Wort redet, über 20 Prozent Wählerstimmen mit solchen Vorurteilen abkassiert hat. Das sind zu viele Stimmen. Da wird mit den Vorurteilen unserer Geschichte gearbeitet, um auszugrenzen, Hass zu verbreiten und die, die nicht gleicher Meinung sind, zu verunglimpfen. Das Ergebnis sind der versuchte Anschlag in Halle auf die jüdische Synagoge, Drohungen an Politiker und Hass im Internet.

Deshalb: Erinnern wir uns“ unserer Geschichte“: Es reicht. Da gibt es nur eins: Sagt Nein! Zu Rassismus, Hass und Menschenverachtung.

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