Weißt du wohin?

Aus der Rubrik "Quergedacht"

© Bornemann
© Bornemann

Als ich eben beim Schreiben von Quergedacht sitze, klingelt es ganz unverhofft. Meine Schwiegereltern stehen vor der Tür. Sie hatten Freunde besucht - ich glaubte sie noch auf der Rückreise. Aber auf der Fahrt zurück nach Hause war ihnen ihr NAVI ausgefallen. Es hatte keine Stimme mehr, die den Weg wies. Nach einer kleinen Irrfahrt durch das Schaumburger Land, fanden sie glücklich die A7 und machten noch einen kleinen Abstecher nach Godshorn. Hier können sie sich nun etwas ausruhen und wollen ihren Weg nach Ostfriesland am Nachmittag fortsetzen.

Ich weiß den Weg nicht mehr, ich habe den Faden verloren, ich höre nicht mehr die Stimme, die mir den Weg weist. Erfahrungen, die wir häufig machen, wenn die Anstrengung zu groß, die Arbeit zu viel und der Weg bis zur Erholung noch lange hin ist.

Wegweisung möchten wir dann gern haben, eine Stimme, die uns leitet, wir möchten gern wissen, wo es langgeht. Franz Kafka hat dazu einmal geschrieben: „Ich befahl, mein Pferd aus dem Stall zu holen. Der Diener verstand mich nicht. Ich ging selbst in den Stall, sattelte es und bestieg es. In der Ferne hörte ich eine Trompete blasen; ich fragte, was das bedeute, aber auch der Diener wusste nichts. Beim Tor hielt er mich auf und fragte mich:" Wohin reitest du, Herr?“ „Ich weiß es nicht, "antwortete ich, "nur weg von hier, nur weg. Immerfort nur weg von hier, nur so kann ich mein Ziel erreichen.“ „Du kennst also dein Ziel" fragte er. "Ja" antworte ich, ich sagte es doch: 'Weg-von-hier', das ist mein Ziel! Du hast keinen Essvorrat mit': sagte er. "ich brauche keinen" sagte ich, "die Reise ist so lang, dass ich verhungern muss, wenn ich auf dem Weg nichts bekomme. Kein Essvorrat kann mich retten. Es ist ja zum Glück eine wahrhaft ungeheure Reise." Der Weg ist das Ziel, meint Kafka und verzichtet ganz auf das NAVI.Der schottische Mönch St. Columban hat das im 6. Jahrhundert etwas anders gesehen und geschrieben. „Das Ende der Straße ist unsere wahre Heimat. Lasst uns nicht die Straße mehr lieben als das Land, zu dem sie führt", Er hat insofern recht: Ein Weg ohne Ziel und ohne Wegweisung ist sehr schwer anzunehmen und löst große Ängste aus. Wir Menschen brauchen immer kleine Wegstrecken mehr, als große Ziele. Die Frage: Weißt du wohin? braucht eine klare und hörbare Antwort. Wer den Spuren Gottes in dieser Welt folgt, wird dieses Ziel früher oder später in den Blick bekommen. Dazu hilft es, über den eigenen Horizont hinaus zu schauen und zu hören, was Gott uns zeigt und sagt. Ich habe mir übrigens das NAVI meiner Schwiegereltern angesehen. Die Lautstärke war zwar richtig eingestellt, aber leider keine Sprache gewählt in der es reden sollte.

Falk Wook
Pastor der Evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Zum Guten Hirten, Godshorn

Zurück