Weihnachten 2013

Liebe Gottesdienstbesucherinnen und Gottesdienstbesucher am Heiligen Abend,
wissen Sie noch? Wissen Sie noch, als Sie diese Geschichte zum ersten Mal gehört haben? „Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.“ Vielleicht erinnern Sie sich noch, als Sie die Weihnachtsgeschichte selbst zum ersten Mal laut vorlesen durften, im festlich erleuchteten Weihnachtszimmer und die Eltern stolz daneben? Und dann, als sie zum letzten Mal gehört wurde mit den Großeltern noch dabei oder Vater und Mutter?
„Es begab sich aber zu der Zeit…“ – immer die gleichen Worte, immer die gleiche Geschichte, während sich drum herum fast alles ändert. Kaum etwas ist so geblieben, wie es war. Unser Kinderzimmer und die weihnachtliche, kindliche Aufregung, bevor es in die kerzenhelle Stube ging – längst vorbei. Der jugendliche Protest und die Mauligkeit: „Was soll’n der ganze Quatsch“ – längst vorbei. Die Unsicherheit und Spannung, als wir wochenlang am Geschenk für die Freundin bastelten und unser ganzes Erspartes hingaben – längst vorbei. Nun sind wir erwachsen, haben uns von Kinderzeit und Jugend lange verabschiedet und tragen doch Jahr um Jahr mit dieser Geschichte unser ganzes Leben wieder in die Heilige Nacht. Orte, Menschen, Atmosphären, Jubel, Wehmut und Freude – alles ist wieder da.
Es gibt Geschichten, die einem die Welt aufschließen. Die Welt liegt uns nicht offen zu Füßen. Wir verlaufen uns wieder und wieder in dieser Wirklichkeit und brauchen deshalb Erzählungen, die uns durchs Leben helfen. Und es sollten Erzählungen sein, die mich persönlich direkt ergreifen und durch alle Lebensjahre in mir altern dürfen. Eine Geschichte, nur für mich, in der meine ganze Freude und meine Verzweiflung einen Raum finden und die doch zugleich eine Geschichte für alle Menschen ist. Die Weihnachtsgeschichte ist so eine Erzählung. Alle Jahre wieder betreten wir mit ihr eine Welt der Hoffnungen. In dieser Erzählung werden die großen Sehnsüchte unseres Lebens gestillt. Wir Wanderer zwischen den Zeiten finden Heimat in einem Stall und lernen im Vorläufigen einen Aufenthalt zu finden. Und das erste gesprochene Wort ist das Wort gegen die Angst. Fürchtet Euch nicht! Eine Welt voller Furcht und eine seufzende Schöpfung atmen in diesen Zeilen auf. Und der Friede soll kommen! Nicht nur in unserem kleinen Leben, sondern in der Weite aller Völker wird er geschehen.
Mit dieser Erzählung ziehen wir durch das Leben. Und Jahr um Jahr träumen wir davon, dass eine Zeit kommt, in der uns nichts mehr gleichgültig sein wird, nicht die Not des Nachbarn, nicht das Leid des Nächsten. So altern diese Zeilen mit den Jahren meines Lebens und bleiben doch jung und verheißungsvoll wie beim ersten Mal. „Es begab sich aber zu der Zeit.“ Die immer gleiche Geschichte, die nie endende Hoffnung, dass die Welt den Frieden sieht, den Christus versprochen hat.
Weißt du noch, als das Schwache das Starke besiegte?
Weißt du noch, als das Licht unser Herz erhellte?
Weißt du noch, als ein Neugeborenes begann die Welt zu verändern?
So bewahren wir diese Zeilen im Herzen und lassen uns von der Geburt Gottes auf Erden verwandeln.
Ihnen und denen, die Ihnen lieb sind, wünsche ich ein gesegnetes, behütetes Weihnachtsfest.
Ihr Ralf Meister
Landesbischof
(Quelle: http://www.landeskirche-hannovers.de/evlka-de/wir-ueber-uns/landesbischof_rm/weihnachtsbrief)