Was wäre aus ihnen geworden?

Foto: Andrea Hesse
Foto: Andrea Hesse

Ein Kind in der Krippe. Die Weihnachtsgeschichte – eine Familie auf der Flucht. Warum fasziniert mich diese Geschichte, auch nach mehr als 2.000 Jahren? Ich schaue doch gerne mal weg, wenn es um das Elend in unserer Welt geht. Oder protestiere und pflege meine Vorurteile. In Bethlehem ist das anders. 

„Maria aber bewegte alle diese Worte in ihrem Herzen.“ Und ich tue das auch. Immer wieder. Werde mindestens für Momente selbst zum Kind. Alle Jahre wieder. Warum? 

Weil ich mich nach Gewissheit sehne, nach Einfachheit und Liebe. Weil ich nicht nur die Armut sehe, sondern auch die Liebe, den Respekt und die Achtung. Weil es schön ist im Stall, auch wenn es zieht. 

Warum kriege ich das nicht hin? Einfach mal innehalten, einfach mal still sein und glücklich, mich freuen an dem, was ich habe und nicht dauernd auf das schielen, was fehlt? Was läuft da falsch? 

So ist das im Leben: Jeder zweite Satz beginnt mit „wenn ich ...“. Wenn ich erst mal aus der Schule bin ... Wenn ich erst mal meine Ausbildung geschafft habe ... Wenn ich die Frau meines Lebens gefunden habe ... Wenn ich endlich genug verdiene ... Wenn ich endlich alle Weihnachtsgeschenke beisammen habe ... Wenn wir endlich aus der Kirche sind und unterm Baum sitzen ... dann ... 

An der Krippe ist das anders. Die Menschen, die im Stall versammelt sind, müssen bald weiter. Maria und Josef fliehen nach Ägypten. Die Hirten kehren zurück in ihren kargen Alltag. Doch in diesem Moment kann all das schweigen. Und alle sind wichtig. Keiner darf fehlen: das Kind, Maria und Josef. Die Hirten vom Felde und auch Ochs und Esel gehören unbedingt dazu. Was wäre wohl aus der Heiligen Familie geworden, wenn sie allein geblieben wäre? Wenn die Tiere nicht für Wärme gesorgt hätten und die Hirten, diese merkwürdigen Fremden, ihnen nicht gesagt hätten: „In eurem Kind begegnet uns Gott.“ 

In diesem Kind begegnet mir Gott. Hier in unserem Kirchenkreis, in unseren Familien und in den Flüchtlingsfamilien aus den Krisenherden dieser Welt, die bei uns Hilfe suchen. 

Halt einen Moment inne und lass dich berühren. Lass dir sagen: Gott ist an deiner Seite. Er ist Kind geworden. Schau einen Moment mit dem Herzen und du bist raus aus dem Kreis deiner Vorbehalte. Und dann sag es weiter, sag es deinen Lieben und auch den weniger Lieben, deinen Freunden und den Fremden: „Euch wird der Heiland geboren.“ 

Das wünsche ich uns allen in der Heiligen Nacht: dass wir gemeinsam das Licht und die Wärme hinaustragen in unsere Familien, in diese Welt. Und dabei nicht müde werden ... 

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Weihnacht und ein segensreiches Jahr 2019.

Ihr
Holger Grünjes
Superintendent

Zurück