Viel Wärme – nur das Haus fehlt noch

Seit Anfang des Jahres ist das Amt wieder besetzt: Holger Grünjes heißt der neue Superintendent des Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen. Grünjes Familie wird offenbar mit viel Wärme erwartet – in das Haus hinter der Elisabethkirche indes zieht so schnell niemand ein.

Keine Frage. Der Mann hat ein Auge fürs Detail. Und das entsprechend geöffnete Herz dafür. Wenn also beim Einführungsgottesdienst ein Sack Möhren den Besitzer wechselt, dann zählt das für den Theologen vielleicht mehr als rhetorische Feindrechselei. Wenn also Grünjes Tochter Ida vom Kirchenkreistagsvorsitzenden mit einer Tüte voller Leckereien für die von ihr so geliebten Pferde aufwartet, ist Wärme im Spiel. Welche Bedeutung die Aufnahme der Menschen noch vor der Begrüßung des Amtsträgers für Holger Grünjes hat, verrät vielleicht auch ein Blick in die Vergangenheit. Nach vielen guten Jahren im hannoverschen „Dorf Groß-Buchholz“ wagt nicht nur der heute 57-Jährige den Sprung raus aus einem starken Netzwerk. Die gesamte Familie pflanzt sich um. Für den Sohn Onno steht der Schulwechsel nach Langenhagen an. 15-jährig, das Alter ist an sich schon Achterbahn genug.

Nicht weniger kompliziert macht den Neustart die Tatsache, dass es an anderer Stelle eben keinen Neustart gegeben hat: Die Superintendentur stand zwar seit dem Auszug von Martin Bergau und damit rund zehn Monate leer. Die dringenden Sanierungsarbeiten konnten nach den letzten Abstimmungen aber jetzt erst auf den Weg gebracht werden. Doch Grünjes ist so sehr Optimist wie Pragmatist: „Der Umzugstransporter ist für den 7. April bestellt.“ Komme, was da wolle. Eine hoffnungsvolle Zeitrechnung. Denn so sehr es der Neuling derzeit genießt, auf seiner Entdeckungstour im Kirchenkreis durchaus heimatähnliche Landstriche zu durchstreifen, so sehr schmerzt der Blick auf den Tacho. Bis zu 150 Kilometer schrubbt Grünjes auf seinen Touren zwischen den Gemeinden und einem ruhigen, konzentrationsfördernden Schreibtisch in Hannover pro Tag herunter. Zeit, die der Menschenfreund gern anders nutzen würde.

Mit Herzensbildung allein jedoch füllt sich das Amt des Superintendenten nicht. In aller gebotenen Ruhe widmet sich Grünjes zurzeit vor allem dem Ergründen des Ist-Zustandes im Kirchenkreis – und dem Möchte-gern: Welche Ziele wurden vor seiner Zeit gesteckt? Welche hat er selbst? Und wie weit sind die Gemeinden und die Kreisverwaltung davon entfernt?

Dabei nutzt Grünjes die Position des Neulings: „Ich kann allen Gemeinden ohne eigene Geschichte begegnen.“ Alle sollen sich im Kirchenkreis einbringen und sich empfangen fühlen. „Es geht um gegenseitige Wahrnehmung“, nicht um Gleichmacherei. Für eine wirkliche Chance des Konfirmationsunterrichts im verdichteten Jugendalltag beispielsweise gebe es verschiedene Patentrezepte und nicht nur eines. Ein jedes aber sollte für jeden anschaubar sein.

Zu klären sei vieles. Die Zukunft der Kantorei im neuen Stellenzuschnitt, die Zukunft der Lebensberatungsstelle mit ihrem Wunsch nach einer zusätzlichen Therapeutenstelle für Kinder, die Zukunft der Zusammenarbeit von Kirche und Schule. Vieles, aber nichts davon sofort. Denn dieses sei die erste und vielleicht auch die wichtigste Botschaft gewesen für den Neuankömmling. „Niemand überfiel mich mit der dringlichen Bitte, über dieses oder jenes umgehend zu befinden“, sagt Grünjes. Der Kirchenkreis sei auch in den mittleren Ebenen eine gut organisierte und sehr effizient agierende Gemeinschaft. Noch so ein wärmendes Detail.

aus:

Nordhannoversche Zeitung
vom 06.02.2014
Red.: Rebekka Neander

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