Seit 60 Jahren rufen die Glocken Menschen zusammen
St. Paulus Langenhagen feierte den 60. Gemeindegeburtstag

Seit 60 Jahren gibt es sie im Süden Langenhagens – die Evangelisch-lutherische St.-Paulus-Kirchengemeinde. 1964 wurde sie gegründet; Anlass für die Neugründung war der Zuzug vieler Familien in das sogenannte Hindenburgviertel, in dem damals zahlreiche Wohnungen gebaut wurden.
Auf einem Grundstück neben der schon bestehenden Friedrich-Ebert-Schule, in der in der Anfangszeit noch Gottesdienste gefeiert wurden, entstand als erstes der aus schlichtem Beton gefertigte Turm, dessen Glocken auch heute noch zum Gottesdienst rufen. „Versuchen Sie sich nur mal einen Moment vorzustellen, wie viele sehr unterschiedliche Menschen die Glocken von St. Paulus in 60 Jahren hier Woche für Woche zusammengerufen haben“, leitete Superintendent Dirk Jonas seine Predigt im Jubiläumsgottesdienst ein. Rund 80 Menschen aus St. Paulus und benachbarten Gemeinden waren in diesem Gottesdienst zusammengekommen, um den runden Kirchengeburtstag zu feiern – und mit ihm ihre Gemeinschaft.
Im Jahr nach der Gründung der Kirchengemeinde folgten der Bau und die Einweihung des Gemeindehauses, in dem ein teilbarer Saal für Gemeindegruppen ebenso genutzt wurde wie für Gottesdienste. Der Bau einer ursprünglich geplanten Kirche wurde zugunsten eines neuen Kindergartens verschoben, der allerdings erst sechs Jahre später auf einem benachbarten Grundstück eingeweiht werden konnte. Zwischenzeitlich wurde eine wachsende Zahl von Kindern im Gemeindehaus betreut; der Keller des Hauses an der früheren Hindenburgstraße (heute Ada-Lessing-Platz) diente über Jahre als Übungsraum für Bands und als Partykeller für die Jugendlichen der Kirchengemeinde.

Erst mehr als 40 Jahre nach der Gemeindegründung bekam die St.-Paulus-Gemeinde dann tatsächlich eine Kirche: Als Anbau ans Gemeindehaus wurde ein klarer, heller Kirchraum mit einer Holzfassade errichtet. Unter dem Lichtkreuz, gebildet aus mehreren schmalen Fenstern, wird seitdem der Gottesdienst in dieser Kirche gefeiert.
Weil parallel zum Festgottesdienst auch die Wahllokale zur Europawahl geöffnet waren, spannte Dirk Jonas in seiner Predigt einen weiten Bogen zwischen den beiden Ereignissen: Im Grunde gehe es der Paulusgemeinde mit ihren ganz unterschiedlichen Menschen nicht anders als der Europäischen Union: „Ob geographisch oder kulinarisch, wirtschaftlich, sozial, politisch, kulturell und technologisch: Europa ist ein sehr, sehr bunter Haufen. Im Übrigen auch bei den Menschen und bei dem, was sie denken – und glauben: Männer, Frauen und Diverse; Greise und Kinder; Katholiken, Protestantinnen und Orthodoxe; Muslime und Juden; Buddhistinnen, Esoteriker und Säkulare. Keine Religion, keine Weltanschauung, die in Europa nicht zu finden wäre. Das christliche Abendland war immer schon – nur eine Idee. Europa strotzt vor Vielfalt. Bunter geht kein Kontinent. Fragt sich: Wie bitte soll das funktionieren?“

Wie bitte soll das in Zukunft funktionieren – auf diese Frage gebe es mit Blick auf die Paulusgemeinde und die evangelische Kirche im Allgemeinen nur immer neue Fragen und wenige Antworten, so der Superintendent weiter. Angesichts stark zurückgehender finanzieller Mittel und sinkender Mitgliederzahlen ermunterte er die Gemeinde dazu, es anzunehmen, dass sich ganz andere, ungeahnte Wege öffneten, die ausprobiert und angegangen werden wollen: „Mit 60 Jahren gehört man bekanntlich noch lange nicht zum alten Eisen. Im Gegenteil: ist in den besten Jahren, mit genügend Erfahrung und Lebensweisheit ausgestattet, um die Zeichen der Zeit zu erkennen und Kirche, gemeinsam mit anderen, für die nächsten Zukunftsjahrzehnte ein neues Gesicht zu geben.“

Erste Schritte in diese Richtung sind bereits gegangen: St. Paulus ist Teil des verbundenen Pfarramtes Langenhagen-Süd und entwickelt sich mit seinem Familienzentrum „Emma und Paul“ zunehmend zu einem Stadtteilzentrum. Viele Gemeindegruppen sind hier aktiv und haben Anteil am kirchlichen Leben; sie alle präsentierten ihre Aktivitäten im Anschluss an den Gottesdienst in Kirche und Gemeindehaus. Vom musikalischen Märchen, aufgeführt von Kindern, über viel Musik bis zum Rollatortanz der Älteren reichte da die Bandbreite.
Als Symbol dafür, dass es auch in Zukunft weitergehen wird, pflanzte Kirchenvorsteher Eberhard Engel-Ruhnke einen Apfelbaum im Gemeindegarten – Gäste aus der Partnerkirchengemeinde in Leipzig hatten ihn als Geschenk zum Jubiläum mitgebracht.