Schwarzfahrer
Falk Wook, Pastor der Evangelisch - lutherischen Kirchengemeinde Zum Guten Hirten, Godshorn

Der Küster einer Kirchengemeinde hatte immer mehrere Helfer, die ihre Sozialstunden ableisten mussten. An einem Morgen gab es ein heftiges Gelächter. Auf die Frage, was los sei, antwortete der Küster: „Wir haben einen Neuen. Ich habe ihm einen Auftrag in der Kirche gegeben und vorsichtshalber abgeschlossen, damit der nicht ausbüchst.“ Die Anderen rissen ihre Witze darüber. Das mit dem Einschließen war gar nicht so lustig. „Was hat er denn gemacht – ist er schwarz gefahren?“. Daraufhin brachen alle in schallendes Gelächter aus. „Ein Schwarzfahrer.“ Der Küster verschwand und kam mit einem großen, Mann wieder. „Hier ist der Schwarzfahrer“, sagte er. Jetzt fiel auch der Groschen. Die Hautfarbe des Mannes war tiefdunkel – und er war, wie sich herausstellte, tatsächlich mehrfach beim Schwarzfahren erwischt worden. Was sich hier als Situationskomik erweist, ist in Wirklichkeit aber bitterer Ernst. Der Mann war um Haaresbreite einem längeren Gefängnisaufenthalt entgangen.
Schwarzfahren ist kein Kavaliersdelikt. Schon die verzögerte Zahlung des „erhöhten Beförderungsgeldes“ zieht erhebliche Mahnkosten nach sich. Wer in finanziellen Angelegenheiten angeht, nicht so fit – oder sehr klamm ist, kann ganz schnell in eine Schleife geraten, die in die Kriminalität führt. Die Personenbeförderungsunternehmen beklagen immer wieder, dass ihnen Millionenbeträge durch das Erschleichen von Beförderung entgehen. Aber wer sind „die Schwarzfahrer“? Einerseits jene, die schlicht vergessen haben eine oder die richtige Karte zu lösen. Das ist auch gar nicht so einfach, wenn man kein Kleingeld hat, die Zeit drängt. Und es gibt immer weniger Kulanz bei der Kontrolle: „Sowohl bei defekten Ticketautomaten als auch beim versehentlichen Kauf eines unzureichenden Tickets gibt es keine Gnade und der Fahrgast muss trotzdem das volle Bußgeld zahlen“, kritisieren Fahrgastverbände. „Die Schwarzfahrer“ aber sind vor allem diejenigen, die wenig oder nicht genug Geld haben, um regelmäßig die Fahrkarte bezahlen zu können“. Eine Erhöhung des Bußgeldes für Schwarzfahrer, wie es von den Verkehrsministern der Länder beschlossen wurde, ist nach Meinung Berliner Politiker „der falsche Weg“. Problematisch seien die ständig steigenden Fahrpreise. Einkommensschwache Menschen könnten sich die öffentlichen Verkehrsmittel kaum noch leisten. Mit einer Erhöhung des Bußgeldes ist dieses soziale Problem nicht in den Griff zu bekommen.“ Es geht nicht darum das Schwarzfahren gut zu finden, aber die Erhöhung des Bußgeldes trifft also vor allem die, sozial Schwachen. Sie können ihre Außenstände nicht bezahlen und sie kaum durch Sozialdienste ableisten. Schließlich kommt es zu einer Haftstrafe. Und das bringt auch kein Geld in die Kassen der Beförderungsunternehmen, sondern nur Verwaltungs- und Verwahrungskosten für den Steuerzahler. „Arme habt ihr allezeit“ (Matth 26, 11), gibt uns Jesus Christus als Aufgabe auf. Und „was ihr dem geringsten unter meinen Brüdern getan habt, das habt ihr mir getan“(Matth. 25,40).
Quergedacht, liebe Verkehrsminister, liebe Beförderungsunternehmen – denken Sie doch noch mal darüber nach.