„Rechtsextremismus und christlicher Glaube sind unvereinbar“

Wilfried Manneke berichtet aus mehr als 20 Jahren Kampf gegen Rechtsextremisten

Wilfried Manneke signiert sein Buch für Caroline von Blanckenburg. Foto: Andrea Hesse
Wilfried Manneke signiert sein Buch für Caroline von Blanckenburg. Foto: Andrea Hesse

„Wir haben dieses Thema nicht aus freien Stücken gewählt“, sagt Pastor Wilfried Manneke. „Wir haben es hier vorgefunden und haben uns von einem Wort aus der Bibel leiten lassen: ‚Alles, was dir vor die Hände kommt, es zu tun mit deiner Kraft, das tu.‘“ (Prediger 9, 10)

Seit mehr als 20 Jahren tut Manneke in der Lüneburger Heide das, was ihm vor die Hände kommt: Gemeinsam mit vielen anderen bietet er Rechtsextremisten die Stirn, macht auf ihre Umtriebe aufmerksam und protestiert gegen ihre Aktivitäten. Jetzt war Manneke, der seit der Veröffentlichung seines Buches „Guter Hirte, braune Wölfe“ (Droemer Knaur) ein deutschlandweit gefragter Referent ist, mit einem Erfahrungsbericht in Langenhagen zu Gast. Gemeinsam eingeladen hatten ihn der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen, die Elisabeth-Kirchengemeinde und die Offene Gesellschaft Langenhagen.

Die Landkarte der Region zwischen Hannover und Hamburg, die Wilfried Manneke an die Wand projiziert, ist übersät mit roten Kreisen: Jeder markiert einen Ort, an dem Neo-Nazis aktiv sind oder waren. Hetendorf 13, Snevern Jungs und Düütsche Deerns, Division 88, die Freien Kräfte Celle und der Hof Nahtz gehören dazu – Kameradschaften, Schulungszentren und Treffpunkte für Rechtsrock-Konzerte, Erntefeste und Sonnwendfeiern. „Es gab für mich keine Alternative zum Widerstand“, sagt Manneke, der als Auslandspastor in Südafrika das Menschen verachtende Apartheid-System erlebt hatte. Als Gemeindepastor in Unterlüß schloss er sich dem Widerstand gegen das Schulungszentrum in Hetendorf an – in dem Dorf in der Nähe von Hermannsburg hatte der rechtsextreme Anwalt Jürgen Rieger bereits 1978 das Heideheim mit 300 Betten gegründet, um hier rechtsextremistischen Nachwuchs zu trainieren. Erst 1998 wurde das Zentrum vom niedersächsischen Innenministerium verboten.

Eine Vielzahl von roten Kreisen markiert die Orte in der Lüneburger Heide, an denen Neonazis aktiv sind oder waren. Foto: Andrea Hesse
Eine Vielzahl von roten Kreisen markiert die Orte in der Lüneburger Heide, an denen Neonazis aktiv sind oder waren. Foto: Andrea Hesse

Ende der 1990er Jahre weiteten die Rechtsextremisten in der Südheide ihren Einfluss zunehmend aus: „Mehr als zehn Jungs aus Unterlüß, von denen ich die meisten im Jahr zuvor konfirmiert hatte, wurden in dieser Zeit in die rechte Szene gezogen“, erinnert sich Manneke. Bomberjacken, Springerstiefel, Musik und das Versprechen von Kameradschaft und Zugehörigkeit zogen sie an; vom Grauen in Bergen-Belsen, das nur wenige Kilometer von ihrem Heimatort stattgefunden hatte, wussten sie nichts. Als Reaktion auf die Ereignisse sei das Unterrichtsthema Nationalsozialismus an den Schulen im Umfeld von der achten auf die sechste Klasse vorgezogen worden – dringend notwendig, findet Wilfried Manneke. Die etwa 65 Zuhörerinnen und Zuhörer im Gemeindehaus der Elisabeth-Kirche stimmen ihm zu. Fast alle der abgedrifteten Jungs hätten der rechten Szene nach einiger Zeit wieder den Rücken gekehrt, berichtet Manneke weiter. Dem Runden Tisch, den Schulen, Kirche und Zivilgesellschaft damals gegründet hatten, war es gelungen, ihnen Alternativen aufzuzeigen.

Manneke berichtet auch von dem Versuch Riegers, das frühere Landhotel Gerhus in Faßberg zu kaufen und hier ein neues Schulungszentrum aufzubauen, von Nazi-Treffen auf dem Hof Nahtz in der Nähe von Eschede, vom Totschlag an Peter Deutschmann durch zwei Neonazis, von kostenlos verteilten CDs mit Rechtsrock, von einem Brandanschlag auf sein Pfarrhaus, von zerstörten Autoscheiben, toten Ratten am Türgriff, Drohschreiben per Post und Mail. Wachsamer als früher sei er geworden, erzählt er; Angst machen lässt er sich jedoch nicht. „Dort, wo Neonazis ungestört handeln können, machen sie sich breit und ihre Szene verfestigt sich“, sagt er. „Wir wollen denjenigen, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennen, keinen Raum lassen.“

193 Menschen wurden seit der deutschen Wiedervereinigung in Deutschland von Rechtsextremisten ermordet – erschlagen, verbrannt, aus fahrenden Zügen geworfen. Die Zahl derjenigen, die verletzt, gedemütigt und eingeschüchtert wurden, ist um ein Vielfaches höher. Auch die Kirchen seien in Gefahr, von Rechten unterwandert zu werden, berichtet Manneke; „Angstprediger“ seien insbesondere in evangelikalen Gemeinden anzutreffen. Dazu könne es nur eine Haltung geben, appelliert der Pastor aus Unterlüß an seine Zuhörerinnen und Zuhörer: „Rechtsextremismus und christlicher Glaube sind unvereinbar.“ Und auch das ist für ihn klar: „Rechtspopulismus ist der Steigbügelhalter für Rechtsextremismus.“

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