Mitleid
Pastorin Dorothee Renner-Venz, Ev.-luth. Matthias-Claudius Kirchengemeinden Krähenwinkel-Kaltenweide

Vielleicht haben Sie auch diesen Elefanten im Fernsehen gesehen, nach den Nachrichten war er zu plötzlich zu sehen; und – ich kann es nicht anders sagen – er weinte. Das war ein lautes, jämmerliches Getröte, und unbeholfen tappte er im Halbkreis um den toten Elefanten, der da vor ihm lag. Mit dem Rüssel berührte er ihn erst sanft, dann etwas energischer, denn: aufstehen sollte er wieder, lebendig werden. So deutlich wird sichtbar, wie betroffen der weinende Elefant ist, wie tief ihn das Geschehen um den anderen berührt, wie sehr er trauert.
Immer wieder, immer öfter erschrecke ich darüber, wie wenig Menschen den Schmerz und das Geschick Anderer noch an sich heran lassen. Erklärungen dafür kenne ich. Sie mögen auch zutreffen, aber das Erschrecken bleibt. Denn es ist nicht gut, was da passiert. Es macht uns ärmer, verhindert erfülltes Leben. Da kommt mir ein Mann in den Sinn, der an der Unfallstelle zu mir sagte: “Kommen Sie, wir gehen: Der Krankenwagen und die Polizei werden gleich da sein, und wenn wir bleiben, bedeutet das nur Aufenthalt und Scherereien.“
Und ich will von der Frau erzählen, die einen großen Schmerz erlebt hatte, die sehr traurig war und weinen musste, als sie ihrer Freundin am Telefon davon erzählte. Und sie traute ihren Ohren nicht, als sie die Freundin sagen hörte: „ Dann geh doch in den Wald und weine dich da aus! Was hat das denn mit mir zu tun…“
Nein, es ist ganz und gar nicht gut, was da unter uns geschieht. Wir sind im Begriff, etwas Wesentliches zu verlieren, was unser Menschsein ausmacht, das Sympathie-Fühlen, was wörtlich „Mitleiden“ meint.
Ob uns ein weinender Elefant dazu verhelfen kann, wieder mit dem in Kontakt zu kommen, was da tief in uns verschüttet zu werden droht?