Lehrerschreck

Pastor Rainer Müller-Jödicke, Ev.-luth. Martins-Kirchengemeinde Engelbostel

Foto: Bornemann
Foto: Bornemann

„Das nächste Vierteljahr sind Sie mal dran: Bitte übernehmen Sie nach den Osterferien in der siebten und achten Stunde die 7e!“, rief mir der Stundenplaner zu. Den mitleidigen Blick der anderen Religionslehrer habe ich immer noch vor Augen. Die 7e galt als Lehrerschreck an dem Gymnasium, an dem ich auf meiner letzten Pfarrstelle nebenbei tätig war.

Als ich dann die Klassentür öffnete, sah ich nur eine tobende Menge mit weißen T-Shirts. „Ey, der neue ist da, lasst uns mal kucken, was der so mit uns macht!“ Als sich alle 34 Schülerinnen und Schüler dann auf ihre Plätze verteilt hatten, staunte ich über die T-Shirts, die sie trugen. „Warum Tiere quälen, es gibt doch Lehrer!“ stand da drauf. Es sei ihr Klassen-Trikot, erklärten sie mir sogleich und wollten wissen, ob ich Lust hätte, mit ihnen auf Klassenfahrt zu fahren, weil doch sonst kein Lehrer wolle.

Ich schwieg, schaute in die Runde und fragte mich, was mit dieser Lerngruppe bloß passiert sein musste. Einzeln und für sich sahen die Schülerinnen und Schüler durchaus nett aus, aber in der Masse wirkten sie unerträglich. Ich folgte einer Eingebung und malte ein Dreieck an die Tafel. Innen hinein malte ich ein Herz, und erntete Pfiffe aus der Jungsreihe.

Da ich ja nun mal der Religionslehrer war, überraschte es sie nicht, dass ich auf die obere Ecke „Gott“ schrieb und sagte: „Jesus sagt, dass wir Gott lieb haben sollen, aber wen sollen wir noch lieben?“ Zaghaft meldete sich das einzige Mädchen, das das kein  weißes T-Shirt trug, und flüsterte fragend: „Die anderen, also das mit Nächstenliebe?“ Ich bestätigte das und fragte nach der dritten Ecke. Die Klasse finge tatsächlich an zu überlegen und brachte viele Vorschläge, als sie an die Eltern oder an Tiere dachten.

Irgendwann wurde es zu einem Raten. Als ich dann nach dem xten Versuch abbrach, sagte ich: „Gott hat euch zu wunderbaren Menschen gemacht, darum sollt ihr euch auch selbst lieb haben!“ Da wurde es völlig still. So etwas hatte der 7e noch nie jemand gesagt.

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