Konkrete Forderungen für die Zukunft der Kirche
„#Kirche2030.Bunt.Mutig.Klar“: Jugendsynode in Hannover

„Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers.“ Dieses Zitat, wohl fälschlicherweise Gustav Mahler zugeschrieben, stand am Ende einer Podiumsdiskussion, zu der die Delegierten der Jugendsynode in der vergangenen Woche mit einer gleich großen Zahl von Mitgliedern der Landessynode in der Neustädter Hof- und Stadtkirche zusammenkamen. „#Kirche2030.Bunt.Mutig.Klar.“ lautete das Motto dieser zweiten Jugendsynode in der hannoverschen Landeskirche, an der auch Leonie Röhrs und Luis Beimfohr als Delegierte aus dem Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen teilnahmen. Als Referentin in einem Workshop zur Gestaltung von Übergängen war Diakonin Anna Thumser aus dem Kirchenkreisjugenddienst beteiligt.
Was fehlt uns eigentlich, um als evangelische Christinnen und Christen mutig unser Anliegen zu vertreten? Diese Frage stellte Moderator Marvin Meinold an Kristin Schneider, Mitglied der Landesjugendkammer und des Kirchenkreisjugendkonvents Wolfsburg-Wittingen, an Ruth Schulze Gerleve, Religionslehrerin an einer Berufsschule in Zeven, und an Prof. Dr. Marcell Saß, Professor für Praktische Theologie und Religionspädagogik in Marburg.
In den Schulen fehle es vor allem an personellen Ressourcen für einen engagierten Religionsunterricht, stellte Schulze Gerleve fest: „Wir brauchen mehr coole Leute, die die Jugendlichen mitnehmen, wir müssen Stellen für den Religionsunterricht ausschreiben.“ Ähnlich sehe es in Kirchengemeinden und -kreisen aus, ergänzte Kristin Schneider: „Wir haben super-coole Ehrenamtliche, aber die können nicht alles reißen. Nur da, wo es auch Berufliche gibt, findet Jugendarbeit statt.“
"Eigentlich können wir Krise"
Eher ausgebremst würden Mut und Engagement durch die immer wieder gestellte Frage nach „dem Eigentlichen“ der evangelischen Kirche, stellte Prof. Saß fest. Viel wirkungsvoller sei es da, einfach mal das in den Blick zu nehmen, was z.B. bei den vielen Konfi-Camps so richtig gut laufe. Er sei zuversichtlich, dass das gelingen und mehr Mut entfachen könne, erklärte Saß mit Blick auf die Reformation: „Eigentlich können wir Krise und es ist super evangelisch, zu sagen, wir ändern was.“
Ungeachtet seiner Zuversicht hob Saß auch hervor, dass der notwendige Transformationsprozess der Kirche erheblich sei: „Unsere Logik einer staatsähnlichen Organisation wird sich wandeln müssen zu der einer Non Governmental Organisation. Es geht um einen Haltungswechsel: Wenn wir uns ständig wie eine Behörde präsentieren, ist das für die Menschen anstrengend.“
Entscheidend für den Zugang zu jungen Menschen seien die Herstellung einer persönlichen Beziehung und der Umgang mit Zweifeln, stellte das Podium fest: Der Zweifel am Glauben und an der Kirche sei wohl bei jedem Menschen vorhanden; was fehle, seien seine Beachtung und Ideen für den produktiven Umgang mit dem Zweifel.
Jungen Menschen sei nur selten bewusst, dass sich Kirche weit über die Kirchenmauern hinaus engagiere und z.B. in Organisationen wie „Brot für die Welt“ oder der Diakonie-Katastrophenhilfe große Wirkung entfalte, stellte Ruth Schulze Gerleve weiter fest. Auch gut gemachte Merchandising-Produkte mit Botschaften zur Gemeinschaft und zum Glauben könnten helfen.
Eine eigentümliche Vorstellung ...
Prof. Saß identifizierte den Konfirmand*innenunterricht als entscheidenden Punkt für den Kontakt mit der Kirche – wenn er denn gut gemacht sei. Mit Blick auf die Verpflichtung zum Besuch einer bestimmten Anzahl von Gottesdiensten fällte er allerdings ein vernichtendes Urteil: „Es ist eine eigentümliche Vorstellung, junge Menschen zu etwas zu zwingen, wovon sie später freiwillig sagen sollen, das ist toll und ich bleib‘ dabei.“
Im Anschluss an das Podium arbeiteten die Delegierten aus Jugend- und Landessynode gemeinsam in zwölf Workshops zu Zukunftsthemen: Vernetzung im Sozialraum, Spiritualität, Digitalisierung, Ehrenamt, Kirche als Arbeitgeberin, alternative Gemeindeformen, Geschlechtervielfalt, Ökumene und Kulturarbeit lauteten einige der Überschriften. Die Ergebnisse der Gruppenarbeit wurden dem Plenum schließlich in Form konkreter Forderungen vorgestellt: So solle es ein professionelles Sozialraum-Management geben, neue Formen von Gottesdiensten an neuen Orten, die Anerkennung digitaler spiritueller Formate, neue und offene Formen der Kirchenmitgliedschaft sowie flexible Gemeindeformen, mehr Freiraum für ehrenamtliches Engagement, Unterstützung für mehr Nachhaltigkeit, ein gemeinsames Grundstudium für alle Berufe mit Verkündigungsaufgaben, „klare Kante“ gegen Intoleranz und Diskriminierung.
Die Landessynode beschloss noch am selben Abend, die Arbeitsergebnisse der Jugendsynode in allen Ausschüssen weiter zu bearbeiten.