„Kein Anspruch ohne Zuspruch“
Jungsein heute: „Kirche trifft...“ in der IGS Langenhagen

Jugend in den Jahren von 2000 bis 2010? Ein Begriff, der gar nicht existiert hat. So zumindest die These von Wolfgang Schröer, Professor für Sozialpädagogik an der Universität in Hildesheim. Der Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen hatte in seiner Veranstaltungsreihe „Kirche trifft...“, bei der regelmäßig gesellschaftliche und kirchliche Einrichtungen besucht werden, in die IGS Langenhagen eingeladen, die in ihrer Anfangszeit ein durchaus gespaltenes Verhältnis zu Kirche und Religionsunterricht hatte; Schröer setzte sich in seinem Vortrag mit der Lebenslage der Jugendlichen in der heutigen Zeit auseinander, prägte für die vergangenen Jahrzehnte jeweils einen anderen Jugendbegriff, die vorige Dekade ließ er allerdings aus. „In der Zeit gab es für uns keine Jugend, nur noch Kinder. Die Berufsorientierung begann ja bereits in der Grundschule“, so Schröer . Gleichzeitig hat er aber auch festgestellt, dass es seit etwa drei Jahren eine „investive Jugend“ gebe, ja fast eine Sehnsucht nach einer „rebellischen Jugend“ wie in den 80er-Jahren existiere. Jugend kann seiner Ansicht nicht auf einen bestimmten Zeitraum eingegrenzt werden, sondern hängt von den persönlichen Lebensumständen ab – für manch einen dauert sie bis zu zwölf Jahre, für den anderen vielleicht nur ein Jahr. Schröer: „Wir sprechen von der gequetschten oder gestreckten Jugend.“ Schröer geht auch davon aus, dass der jugendliche Alltag „verdichtet und intensiviert“ wird, sieht, dass sich Grenzen verschieben wie bei einem Yo-Yo und Jugend auch das „Kapital einer alternden Wissensgesellschaft“ ist. „Wo früher die Fahrradwerkstatt war, ist heute die Schülerfirma; aus dem Seminar an der Uni ist der Work Load geworden“, gibt Schröer Beispiele für die „Akkumulierung des Humankapitals“. Bei diesem „Wettbewerb um die Bildungszertifikate“ kämen einige Jugendliche nicht mehr mit; eine Entwicklung, die zu einer Segmentierung führe.
Eine Entwicklung, der entgegen gewirkt werden müsse. Das wurde sowohl in kleineren Workshops als auch in der anschließenden Diskussion deutlich. Jugendliche bräuchten Zeit und Raum, um ihre Individualität entwickeln zu können, Wertschätzung unabhängig von der Leistung sei genauso wichtig wie Loslassen. Die Jugendlichen Maren und Vanessa appellierten an die Erwachsenen wahrzunehmen, was sich abspiele und die Dinge nicht nur aus ihrer Sicht zu sehen. Der Satz „Mach es besser“ sei keine Lösung; Hilfe anzubieten sei gut, der Zwang zu helfen nicht. Vanessa: „Die Erwachsenen wollen uns in vorgegebene Raster stecken, vergleichen alles mit ihrer eigenen Schul- und Studienzeit.“ Ängste und Hoffnungen hätten sich aber durch die geänderten Rahmenbedingungen verschoben, das müsse gewürdigt werden. Aller Anspruch an die Jugendlichen dürfe nicht ohne Zuspruch erfolgen. Wolfgang Schröer baut zum Abschluss der Diskussion eine Brücke zu der nachfolgenden Generation: „Wir haben gar keine Angst vor euch, dass ihr was anderes macht als wir.“
aus:
Langenhagener Echo
vom 01.11.2013
Red.: Oliver Krebs
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