Interview mit Gott
Pastorin Marieta Blumenau, Ev.-luth. Emmaus-Kirchengemeinde Langenhagen

Ich wollte für die Gemeinde eine Andacht schreiben zu der neuen Jahreslosung:
Gott nahe zu sein ist mein Glück.
Das ist ein Vers aus dem 73. Psalm.
Doch als ich anfing, mir dazu Gedanken zu machen, merkte ich: Der Vers ist gar nicht so leicht zu verstehen. Es ist ja schon schwierig, genau zu sagen, was „mein Glück“ ist im Leben. Und noch viel schwieriger ist es mit der Nähe zu Gott. Wann ist man Gott eigentlich nahe? Und - wie merkt man das? Deshalb beschloss ich, Gott danach zu fragen. Ich habe auch ziemlich umgehend von ihm einen Interview-Termin dafür bekommen.
„Kommen Sie nur“, sagte Gott. „Sie möchten mich also interviewen?“
„Ja – gerne“, sagte ich. „Es ist schön, dass Sie so rasch Zeit für mich haben.“
Gott lächelte: „Meine Zeit ist die ganze Ewigkeit. Ich habe also genug davon. Was wollen Sie mich nun fragen?“
„In der neuen Jahreslosung wird vom Glück gesprochen. Ich frage mich: Was ist das - mein Glück? Haben Sie den Eindruck, dass die Menschen das wissen und dass sie glücklich sind?“
„Die jungen Menschen denken, dass Glück ein berauschendes Gefühl sein muss. Erst die Älteren merken, dass viel mehr zum Glück gehört. Und dass man oft erst im Rückblick genau erkennt, wo das Glück gewesen ist.
Übrigens finde ich, dass das Wort in dem Psalm schlecht übersetzt ist. Sie sollten besser sagen: Es ist mir eine Freude, Gott nahe zu sein. Oder: Es ist gut für mich, mich Gott zu nähern.“
„Und warum ist es gut für mich, Gott nahe zu sein?“
„Weil Sie dann wissen, dass Sie nie alleine sind. Und weil Sie besser unterscheiden können, was unwichtig ist im Leben - und was wirklich wichtig ist.“
„Könnten Sie mir dafür bitte ein paar Beispiele nennen?“
„Aber gerne! Jetzt am Anfang des Jahres wünscht ihr Euch gegenseitig Gesundheit. Aber ich sehe, wie viele von euch die Gesundheit aufs Spiel setzen. Und dann viel Geld ausgeben, um wieder gesund zu werden.
Oder ihr macht euch große Gedanken wegen der Zukunft, die ihr meistens doch nicht beeinflussen könnt. Und darüber vergesset ihr, dass ihr jetzt lebt. Viele geben sich auch große Mühe, Besitz anzuhäufen – und haben kaum noch Zeit für die Menschen, die es gut mit ihnen meinen.“
„Das ist jetzt aber sehr viel und auch sehr verwirrend für mich. Können Sie mir einen einfachen Vorschlag machen, wie das mit der Jahreslosung in meinem Leben funktionieren kann?“
„Nichts leichter als das: Sie nehmen sich einfach ein Stück Papier und malen ein großes Fragezeichen darauf. Das Blatt hängen Sie irgendwo auf, wo Sie häufiger hinsehen. Und immer, wenn Ihr Blick darauf fällt, dann nehmen Sie sich 5 Sekunden Zeit und überlegen, wofür Sie gerade dankbar sein können. Sie werden es mit der Zeit merken: Es gibt vieles, worüber Sie dankbar sein sollten. Jeden Tag. Große und kleine Freuden sind das. Und immer, wenn Sie sich das bewusst machen – dann werden Sie auch merken, dass Sie mir gerade nahe sind.“
Ich hatte Mühe, das alles so rasch zu verstehen. Ich dachte mir - das muss ich noch einmal im Ruhe überdenken. Und weil mir keine weiteren Fragen dazu mehr einfielen, habe ich mich verabschiedet.
Und natürlich habe ich Gott noch einmal gedankt für das Interview.
„Keine Ursache“, sagte Gott. „Ich bin 24 Stunden am Tag für Sie da. Das einzige, was Sie tun müssen – ist, an mich zu denken. Dann merken Sie auch merken, wie nahe Sie mir sind.“