Illustrierte Titelblätter dienten der Verkaufsförderung

Professor Heimo Reimitzer zu Gast beim Jahresempfang des Kirchenkreises

Superintendent Holger Grünjes (rechts) begrüßte Professor Heimo Reimitzer, den Gastreferenten des Jahresempfangs, in der Elisabethkirche. Foto: Andrea Hesse
Superintendent Holger Grünjes (rechts) begrüßte Professor Heimo Reimitzer, den Gastreferenten des Jahresempfangs, in der Elisabethkirche. Foto: Andrea Hesse

Während mittelalterliche Handschriften noch keine Titelillustrationen kannten, begann mit Luthers sogenanntem Septembertestament aus dem Jahr 1522 die Zeit der illustrierten Titelblätter in gedruckten Bibelausgaben. Kalligraphisch reich verziert und von Ornamenten umgeben, stellt sich diese Bibelübersetzung Luthers mit einem markanten Titel vor, der wirkt wie ein Manifest: „Das Neue Testament. Deutsch“.

Professor Heimo Reinitzer, bekannt geworden als wissenschaftlicher Leiter des deutschen Bibelarchivs und Gründungspräsident der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, eröffnete seinen Gastvortrag zum Jahresempfang des Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen mit einer Abbildung der Titelseite des Septembertestaments, spannte dann den Bogen weiter über verschiedene Bibelausgaben aus dem 16. Jahrhundert. Die Auswirkungen der Reformation auf die Bildkunst der frühen Neuzeit erläuterte er unter anderem an einer Bibelausgabe von 1534, auf deren Titelblatt Gott selbst sein Wort unterzeichnet, das dann von Putten verbreitet wird: „Gemeint ist hier nicht nur die Verkündigung von Gottes Wort sondern auch von Luthers Theologie.“

Dem gern geäußerten Vorurteil, die gedruckten Texte seien für die Gelehrten bestimmt gewesen, während die Bilder das einfache Volk erreichen sollten, erteilte Heimo Reimitzer eine klare Absage: „Es gibt keinen größeren Quatsch. Bilder sind mindestens so schwer zu verstehen wie schwierige Texte.“ Die Illustrationen seien für die Theologen bestimmt gewesen, für Studenten und politisch Gebildete. Vermutlich, so Reimitzer, gehe die Bildfindung auf Melanchthon zurück: „Luther hat diese Bebilderung seiner Schriften nicht unbedingt gewollt.“ Tatsächlich hatten die Illustrationen, die vielfach eine krasse antikatholische Polemik enthielten und immer umfangreicher wurden, unter anderem die Verkaufsförderung zum Ziel: Buchdrucker verbreiteten die Titelseiten ihrer Werke als Flugblätter, um Kunden zu gewinnen. Dass diese Kunden kaum unter Bauern und Handwerkern zu finden waren, machte Heimo Reimitzer deutlich: Mit einem Verkaufspreis von drei Gulden hätte eine Bibel aus dem 16. Jahrhundert einen Handwerker wohl ein ganzes Jahresgehalt gekostet.

Nach dem informativen Vortrag Heimo Reimitzers blieben die etwa 80 Gäste des Jahresempfangs noch zu Gesprächen bei einem Glas Prosecco zusammen, bevor Superintendent Holger Grünjes sie mit einem Segen aus der Elisabethkirche verabschiedete. Ein Dank für die wunderbare musikalische Gestaltung ging an Arne Hallmann, Anne Bischof und Jägosch Kraftschak, die Werke von Telemann, Händel und Bach für Querflöte, Cello und Cembalo spielten. 

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