Furchtlos

Dorothee Beckermann Dipl. Sozialarbeiterin/-pädagogin und Diakonin Diakonieverband Hannover-Land Familienarbeit Langenhagen

Kirchenfenster Mailänder Dom © Hähling
Kirchenfenster Mailänder Dom © Hähling

Es gibt Worte und Sätze, die ziehen sich fast wie ein roter Faden durch die Bibel. Einer dieser Sätze lautet: „Fürchtet euch nicht!“ Engel sagen ihn, wenn sie Menschen auf eine göttliche Botschaft vorbereiten wollen. Die Propheten sagen ihn, wenn sie dem Volk Israel in Bedrängnis und Bedrohung Gottes Beistand zusprechen. Jesus sagt ihn, wenn seine Jünger von Entsetzen und Schrecken gepackt sind und an sich selbst zweifeln. Immer wie-der lesen wir: Wir sollen uns nicht fürchten.

Gerade heute enthält ein solcher Aufruf eine tiefe Provokation. Furcht scheint auch - oder gerade - in unserer Zeit ein bestimmendes Gefühl zu sein. Menschen fürchten sich vor der Zukunft. Sie fürchten sich, ihre gesicherte Existenz zu verlieren und auf Hilfe angewiesen zu sein. Sie fürchten sich davor, wichtige Chancen zu verpassen und falsche Entscheidun-gen zu treffen. Und auch gesellschaftlich ist die Furcht erfolgreich am Werk. Aus Furcht vor Arbeitslosigkeit werden Menschen gefügig in den Verhandlungen um Löhne und Arbeitsbedingungen. Aus Furcht vor wirtschaftlichen Verlusten lassen sich Regierungen von Großkonzernen ihre Politik diktieren. Menschen, die sich fürchten, sind leicht zu be-herrschen und zu beeinflussen. Wer ständig in Angst lebt, kann sich nicht mehr einsetzen für diese Welt. Wer glaubt, in erster Linie sich selbst absichern zu müssen, verliert größere Zusammenhänge aus dem Blick. Wo die Furcht das Leben regiert, ist von Gott nicht viel zu spüren.

Gottes Idee aber war, dass Menschen furchtlos leben können. Unser Leben soll bestimmt sein von Liebe, nicht von Furcht. „Fürchtet euch nicht!“ – das heißt dann auch: Lasst euch nicht einreden, dass ihr vor allem Angst haben müsst. Vertraut darauf, dass andere Wege und andere Träume für diese Welt möglich sind. Liefert euch nicht der Furcht aus, die euch klein und ohnmächtig macht. In dem Mut, der sich den Wellen der Furcht immer wieder entgegenstellt, erleben wir das Wirken Gottes in dieser Welt. Heute genau so wie vor 2000 Jahren.

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