Erntedank
Superintenden Martin Bergau

„Ob ich mir das noch antun will, weiß ich nicht.“ Ich bin im Gespräch mit einem Ortspolitiker in unserem Kirchenkreis. Er ist aufgewachsen in der kleinen Stadt, in der er nun seit einigen Jahren für eine der größeren Parteien ein Mandat vertritt. Politik zum Anfassen, das will er gestalten. Vor allem in seinem überschaubaren Bereich, den er von klein auf kennt. Und mag.
Manche Ausschusssitzungen dauern lange. Ergebnisse fordern zähe, geduldige Verhandlungen. Kompromisse gehören dazu, sind aber nicht immer beglückend.
Ich spüre seine Enttäuschung, sein Ringen. Rasch aber waren wir wieder drin in einem Fachgespräch, es ging um die Kita-Einrichtungen in der Stadt. Sein Blick war wieder ganz wach. Eine Herzenssache bedeutet die Förderung der Kinder, das spürte ich ihm ab.
„Demokratie muss man lernen“, sagt der Sozialphilosoph Oskar Negt. Er hat Recht. Sie lebt durch die Menschen, die sie ausgestalten. Geübt wird sie nicht nur auf der Regierungsbank des Bundestages. Wahrzunehmen ist sie besonders durch die Frauen und Männer, die am Ort ein Mandat übernommen haben. Viele Stunden Ehrenamt, Freizeit hängen daran. Das bleibt in allem eben auch – Herzenssache.
Ich kenne das Beklagen über die Entscheidungen „derer da oben“, davon kann sich wohl keiner recht frei machen, auch ich nicht. Manchmal ist das recht wohlfeil. Manche Erschöpfung der Verantwortungsträger hat auch damit etwas zu tun.
Am kommenden Sonntag feiern wir das große Fest des Dankens. Erntedankfest. Es ist ein Danktag. Das ist eine willkommene Gelegenheit, einmal anders herum zu denken: Wo kann ich gern und zustimmend „Danke“ sagen, wenn sich Menschen einsetzen für die Versorgung mit Kita-Plätzen, für eine größere Verkehrssicherheit oder für die Verbände in der Kommune?
Dafür wird jeder Gründe finden. Das bedeutet Denken und dann auch im besten Sinne danken, vielleicht sogar persönlich. Der Demokratie wird das gewiss nicht schaden. Wer sie aber liebt, dem wird sie damit noch wertvoller.
Martin Bergau