Eine Reise ins biblische Jerusalem
Fortbildung des Kirchenkreiskonvents in der Heiligen Stadt
Eine Fortbildung voller intensiver Eindrücke liegt hinter den Mitgliedern des Kirchenkreiskonvents: Für vier Tage hielten sie sich in Jerusalem und in der Judäischen Wüste auf, besuchten historische Orte und Kirchen und führten Gespräche. Eine Vorbereitungsgruppe mit Jens Wening, Vikar in Engelbostel, und den Pastoren Frank Foerster und Karsten Henkmann hatte die Reise unter dem Titel „Das biblische christliche Jerusalem“ vorbereitet und ein dicht getaktetes Fortbildungsprogramm zusammengestellt. Geführt wurde die Gruppe von Jens Wening, dessen umfassende theologische, archäologische und religionspädagogische Kenntnisse die Reise zu einem besonderen Erlebnis werden ließen.
Nach der morgendlichen Andacht im Garten oder in der Kapelle des Maison d’Abraham, in dem die Gruppe Quartier bezogen hatte, führte ein Fußmarsch sie während der ersten beiden Fortbildungstage über den alten jüdischen Friedhof am Ölberg zu mehreren sehr unterschiedlichen Kirchen. Besucht wurden unter anderem die Kirche Dominus Flevit („Der Herr weint“), die ein italienischer Architekt in Form einer stilisierten Träne erbaute, die russisch-orthodoxe Maria-Magdalena-Kirche mit ihrem reichen Bilderschmuck, die römisch-katholische Kirche der Nationen und das Mariengrab. Viele Stufen führen hinab in diese griechisch-orthodoxe Kirche mit ihren schwarz verräucherten Wänden und den unzähligen Öllampen; genutzt wird sie auch von syrisch-, koptisch- und äthiopisch-orthodoxen Gläubigen.
Durch das Kidrontal, das die Altstadt Jerusalems vom Ölberg trennt, führte der Weg die Gruppe zum Gartengrab, das von internationalen Freiwilligen betreut wird, und weiter zur Via Dolorosa im muslimischen Teil Jerusalems und zur Klagemauer. Natürlich bot dieser heiligste Ort des Judentums, von dem aus nur einen Steinwurf entfernt die Al-Aqsa-Moschee steht, auch Anlass zum Gespräch über den jüdisch-palästinensischen Konflikt. Um die betenden Gläubigen und die Klagemauer zu schützen, gibt es an allen Zugängen zu der erhaltenen Mauer des früheren jüdischen Tempels Sicherheitskontrollen.
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Blick über den jüdischen Friedhof Jerusalems auf die Altstadt -
Die Gruppe aus dem Kirchenkreis vor ihrer Unterkunft Maison d’Abraham -
Altstadtviertel -
Der Eingang zur Grabeskirche -
Blick vom Turm der Himmelfahrtskirche auf die Grenzmauer zwischen palästinensischem und jüdisch-israelischem Gebiet -
Gabriele Zander berichtet der Gruppe von ihrer Tätigkeit als Pastorin der EKD an der Himmelfahrtskirche. -
Das Grab Oskar Schindlers auf dem Franziskaner-Friedhof am Berg Zion -
Herodes-Palast auf dem Felsplateau Masada -
Prunksaal im Herodes-Palast von Masada -
Blick von Masada über die Wüste zum Toten Meer -
Jens Wening erklärt die Motive auf der Knesset-Menorah, einem monumentalen Bronzeleuchter vor dem Parlamentsgebäude. -
Ein Modell im Israel-Museum zeigt Jerusalem mit dem Tempel zur Zeit Jesu.
(Fotos: Andrea Hesse)
Die Anekdote von der hölzernen Leiter
Zu Fuß – nach dem ersten Tag in Jerusalem zeigte der Schrittzähler Jens Wenings die Zahl 13.000 an – erkundeten die Reisenden aus dem Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen unter anderem das Armenische Viertel, besuchten das Grab Oskar Schindlers auf dem Franziskanerfriedhof am Berg Zion und reihten sich in die Schlange vor dem leeren Jesus-Grab in der Grabeskirche ein. Sechs christliche Konfessionen verwalten diese chaotisch-verbaut anmutende Kirche; jede von ihnen wacht misstrauisch darüber, dass der Nachbar nicht etwa sein Territorium ausweitet. Die Folge sind Anekdoten wie die von der hölzernen Leiter, die seit Jahrzehnten in luftiger Höhe auf einem Sims der Grabeskirche steht und nicht entfernt werden darf, da sich daraus ein Gebietsanspruch ableiten ließe.
Gabriele Zander, Pfarrerin der EKD im Evangelischen Pilger- und Begegnungszentrum der Kaiserin-Auguste-Victoria-Stiftung, begrüßte die Gruppe in der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg. Vom Turm der wilhelminischen Kirche aus bot sich ein weiter Blick über Jerusalem und das Umland; deutlich zu erkennen waren Teile der Sperranlagen, die Israel vom palästinensischen Westjordanland, der sogenannten Westbank, trennen. Bis zu acht Meter hoch ist die Stahlbetonmauer, die sich an Jerusalem entlang zieht und die Menschen aus dem Westjordanland nur mit israelischer Arbeitserlaubnis oder ärztlichem Attest in westlicher Richtung passieren können. Zermürbend sei der allgegenwärtige Konflikt, berichtete Gabriele Zander; überdecke manchmal die Freude an der Arbeit im Heiligen Land.
Eine Niederlage wird zum Gründungsmythos
Eine körperlich besonders anstrengende Etappe hielt der vorletzte Fortbildungstag bereit: Der Konvent ließ sich von Jens Wening durch den Nationalpark Masada in der Judäischen Wüste führen – bei 38 Grad, zahlreichen Stufen und wenig Schatten eine schweißtreibende Sache. „Ich weiß jetzt, warum man sagt, dass Gruppenreisen zusammenschweißen“, stöhnte Diakonin Anna Thumser gegen Ende des Rundgangs durch die Festungsanlage.
Von Herodes erbaut, diente Masada im ersten nachchristlichen Jahrhundert jüdischen Rebellen als Verteidigungsanlage gegen das römische Heer; rund 960 Frauen, Männer und Kinder lebten hier auf dem Plateau des Tafelberges. Am Abend vor der Eroberung Masadas durch die römische Legion wählten die jüdischen Bewohner den Freitod, um nicht in Gefangenschaft zu geraten – als römische Soldaten die Festung gestürmt hatten, trafen sie auf Totenstille. Heute ist die Geschichte Masadas ein identitätsstiftender Gründungsmythos für den jüdischen Staat: „Mir sind weltweit nur drei Länder bekannt, deren Gründungsmythos eine Niederlage ist“, erklärte Jens Wening dazu.
Die Fortbildungsreise endete mit Besuchen in der Gedenk- und Dokumentationsstätte Yad Vashem und im Israel-Museum. Hier hatte die Gruppe die Möglichkeit, an einem großen Modell Jerusalems zur Zeit Jesu die besuchten Orte räumlich einzuordnen und eine Vorstellung von der damaligen Situation auf dem Tempelberg zu gewinnen. Ein Aha-Erlebnis hatte auch Reiseleiter Jens Wening: „Jetzt verstehe ich diese Hirtentexte noch mal ganz anders“, stellte er fest, nachdem auch das letzte Schäflein der Gruppe den wartenden Bus zum Flughafen erreicht hatte.