Ein beispielhafter Ort für die Existenzweise des Menschen

„Kirche trifft Flughafen“ mit Landesbischof Ralf Meister in Langenhagen

„In der Theologie gibt es keine Sicherheit sondern Gewissheit“: Landesbischof Ralf Meister hielt das Impulsreferat. Foto: Andrea Hesse
„In der Theologie gibt es keine Sicherheit sondern Gewissheit“: Landesbischof Ralf Meister hielt das Impulsreferat. Foto: Andrea Hesse

Wie eine perfekt abgestimmte Inszenierung wirkte der Start des neuen Großraumflugzeuges Airbus A400M direkt vor den Panoramafenstern des Restaurants Skylight im Flughafen Hannover-Langenhagen: Der Evangelisch-lutherische Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen und der Airport hatten hierher zu der Veranstaltung „Kirche trifft Flughafen“ eingeladen und die etwa 70 Gäste konnten das Abheben der riesigen Propellermaschine gleich zum Auftakt verfolgen.

„Die Architektur von Flughäfen fasziniert mich ebenso wie die von Kirchen“, stellte Landesbischof Ralf Meister, der mit einem Impulsreferat in das Thema „Der Sonne entgegen …“ einführte, fest. Drei Stichworte, so der Bischof, verbinde er damit: Sehnsucht, Sicherheit und Transit. Die Jahrtausende alte Sehnsucht der Menschen nach dem Fliegen sei auch heute noch gegenwärtig, auch wenn es für viele Menschen fast schon zum Alltag gehöre: „Es bleibt die faszinierendste Art der Fortbewegung.“ Freiheitsgeist und menschliche Hybris lägen dabei dicht beieinander, reichten zurück bis zum Flug des Ikarus, dessen Freiheitsstreben ihn in den Tod führte.

Mehr noch als von der Sehnsucht sei das Fliegen in heutiger Zeit von dem umfassenden Bedürfnis nach Sicherheit geprägt, ist Ralf Meister überzeugt: „Dieses starke Bedürfnis ist ein Produkt der vergangenen 50 Jahre und es bestimmt heute weitgehend unser Leben.“ Sicherheit werde zum Wert an sich; auf dem Altar der Sicherheit würden bedenkenlos die größten Opfer gebracht. Flughäfen seien Orte, an denen sowohl die technologische wie auch die soziale Sicherheit in besonderer Weise in den Blick genommen werden müssten – potenzielle Gefahren könnten von fehlerhaften Triebwerken ebenso ausgehen wie von Menschen. „In der Theologie sprechen wir nicht von Sicherheit sondern von Gewissheit, einer durch den Zweifel gegangenen Glaubensgewissheit“, benannte der Landesbischof eine grundlegende Differenz. Das oftmals als Grund für Katastrophen benannte „menschliche Versagen“ finde sich in der Theologie in der Erkenntnis wieder, dass der Mensch seit seiner Erschaffung ein Wesen sei, das Fehler mache.

Ein Kennzeichen von transitorischen Räumen oder Transitorten sei es, dass sie Menschen anders entließen, als sie sie aufgenommen hätten, so Ralf Meister weiter: „Flughäfen sind die letzten transitorischen Räume, die dem Nomadenwesen des Menschen entsprechen.“ In diesem Sinne sei der Flughafen ein beispielhafter Ort für die Existenzweise des Menschen zwischen Sehnsucht, Streben nach Sicherheit und Übergängen.

Auf dem Podium diskutierten Landesbischof Ralf Meister (von links), der stellvertretende Flughafengeschäftsführer Michael Hesse, Flughafenseelsorger Ulrich Krämer und Moderator Michael Stier. Foto: Andrea Hesse

In der anschließenden Podiumsdiskussion, die von Michael Stier moderiert und von Landesbischof Ralf Meister, dem stellvertretenden Flughafengeschäftsführer Michael Hesse und Flughafenseelsorger Ulrich Krämer geführt wurde, spielte die Angst eine große Rolle: „Wir leben in einer verängstigten Gesellschaft“, stellte Ralf Meister fest; auch immer neue Technologien könnten den Menschen diese Angst nicht nehmen. Der Absturz der German-Wings-Maschine in den französischen Alpen habe der Angst und der Verstörung ein neues Kapitel hinzugefügt, berichtete Ulrich Krämer: „Bislang wurden alle Bemühungen um Sicherheit nach außen gerichtet, nun mussten wir feststellen, dass der ‚Feind‘ im Cockpit sitzt – ich habe am Flughafen noch nie so fassungslose Menschen erlebt wie nach diesem Absturz.“ Dennoch: „Wir haben in unser Gedenken trotz aller Fassungslosigkeit immer den Piloten mit einbezogen“, betonte Michael Hesse; „wir haben immer der 150 Opfer gedacht.“

Was braucht es, um der Angst Herr zu werden? Vielleicht das: eine Art Urvertrauen in die Menschen, die bewusst getroffene Entscheidung, den Menschen mit Vertrauen und nicht mit Misstrauen zu begegnen, und eine verlässliche Glaubensgewissheit. „Finden wir als Kirche die richtige Sprache für diese Dimension?“, stellte Ralf Meister als Frage in den Raum.

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