Der glaubende Thomas

Michael Hager, Vikar in der Ev.-luth. Emmausgemeinde Langenhagen

Michael Hager, Vikar in der Ev.-luth. Emmausgemeinde Langenhagen
Michael Hager, Vikar in der Ev.-luth. Emmausgemeinde Langenhagen

Er hat sich nie für Religion interessiert. Als vernünftiger Mann dachte er, Glaube sei unlogisch und Zeitverschwendung. Eines Tages sieht eine Freundin auf dem Weg zum Einkaufen eben diesen Thomas in die Kirche gehen. Sie schaut ihm hinterher. Zu ihrer Verwunderung sieht sie, dass Thomas eine Kerze anzündet. Sie beobachtet, wie sich seine Lippen bewegen. Er hatte eine schwere Zeit hinter sich. „Vielleicht erklärt das sein Verhalten“, denkt sie. Trotzdem scheint irgendwas komisch zu sein. Sie geht durch die offene Holztür.

Der hohe Raum ist dunkel unter der Empore. Die Kirche fast leer. Da steht Thomas gebeugt beim Kerzenständer. Er murmelt einen alten Reim, von dem es heißt, dass er dem Beter Gesundheit und Wohlstand verheißt. 

Sie unterbricht erstaunt: „Ich wusste nicht, dass du an sowas glaubst. Denkst du wirklich dieses Gebet wirkt?“ Thomas antwortet aufschauend: „Natürlich nicht. Was denkst du denn?“ „Warum betest du es dann?“ sagt die Freundin überrascht. Thomas erklärt: „Ich hab gelesen, dass dieses Gebet sogar dann wirkt, wenn man nicht daran glaubt.“ 

Dieser Thomas macht es so wie wir. Klar ist, dass eine Kerze und ein Gebet nicht automatisch heilen. Thomas ist das klar. Aber er handelt anders. Ich weiß, dass das größte Handy mich nicht automatisch smart macht. Ich muss es trotzdem haben. Klar ist, dass die gut bezahlten endlosen Überstunden nicht glücklicher machen. Keiner glaubt das. Trotzdem tun viele so, als wäre es ein guter Lebensinhalt. Warum handeln wir nicht, nach unserem Glauben?

 

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