Das Evangelium hat eine politische Bedeutung
Wolfgang Puschmann spricht beim Reformationsempfang des Kirchenkreises

Das Evangelium hat stets auch eine politische Bedeutung – so lautete einer der Kernsätze, die Wolfgang Puschmann in seiner Rede zum Reformationsempfang des Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen betonte. Der hannoversche Stadtsuperintendent i. R. führte diese politische Dimension des Evangeliums und des kirchlichen Handelns in direkter Linie zurück auf Luther: Der Reformator habe, so habe es Philipp Melanchthon nach dessen Tod als erster benannt, die wahre christliche Lehre wieder ans Licht geholt, indem er sich klar zur Berufung des Christenmenschen zum Dienst in der Welt und für die Welt bekannt habe. Martin Luther sei es auch gewesen, der die Gewissensfreiheit des einzelnen Menschen gegenüber Institutionen und deren Machtansprüchen zu Beginn der frühen Neuzeit öffentlich formuliert habe: „Luthers Lehre gehört in die neuzeitliche Freiheitsgeschichte, die zum Grundwert allgemeiner Gewissensfreiheit führte und Institutionen begründete, die diesen Grundwert garantieren können.“
Etwa 80 Gäste aus dem Kirchenkreis und dessen Gemeinden und Einrichtungen, aus Politik und Verwaltung der Kommunen und der Region konnte Superintendent Holger Grünjes eine Woche vor dem Reformationstag in der Langenhagener Elisabethkirche zum traditionellen Reformationsempfang des Kirchenkreises begrüßen. „Kirche muss sich einmischen“, betonte der Superintendent und verwies in diesem Zusammenhang auf drei Veranstaltungen dieses Jahres: zwei Podiumsdiskussionen im Vorfeld der Bürgermeisterwahl und die Veranstaltung „Kirche trifft Justiz“, die sich mit der Bedeutung der Rechtsprechung für Staat, Gesellschaft und Individuum befasste.
Kirche müsse sich immer wieder neu entscheiden, an welcher Stelle und auf welche Art und Weise sie sich in den öffentlichen Diskurs und damit auch in politische Entscheidungen einmische, betonte Wolfgang Puschmann. Auch Martin Luther sei vor deutlicher Einmischung nicht zurückgeschreckt, etwa als er 1518 in klaren Worten vor weiteren Steuererhöhungen warnte. Allerdings, so zitierte Wolfgang Puschmann den Münchener Theologen Friedrich Wilhelm Graf, gebe es keine „christliche Politik“ und auch eine Einmischung in kleinteilige politische Fragen könne nicht Sache der Kirche sein. Auf der Basis der Glaubens- und Gewissensfreiheit aber könne protestantische Standfestigkeit helfen, totalitären Ansprüchen zu widerstehen: „Weltliche Macht findet ihre Grenzen am freien Gewissen.“
In seinen abschließenden Worten formulierte Wolfgang Puschmann einen „Ausblick mit Problemanzeige“: Protestantisches Engagement sei heute durch das Streben nach umfassender Gleichberechtigung, nach gesellschaftlicher Inklusion und der Aufhebung von Hierarchien gekennzeichnet. Im Zuge dieser „Fundamentalliberalisierung“ gingen Orientierungshilfen verloren und es entstehe ein viele Lebensbereiche umfassender Zwang, sich entscheiden zu müssen. Notwendig, so Wolfgang Puschmann, sei daher in den kommenden Jahren viel Aufmerksamkeit für eine grundlegende ethische Frage: „Wir können wir unsere Freiheit erhalten und dennoch Orientierungshilfen geben?“ Kraft ihres lutherischen Erbes könne und müsse sich Kirche auf diesem Feld einbringen: „Die Zukunft wird uns brauchen.“
Luthers Erbe auf der Spur - Freiheit und Verantwortung in Politik und Kirche. Rede von Wolfgang Puschmann zum Reformationsempfang des Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen: