Angst
Falk Wook, Pastor der Evangelisch - lutherischen Kirchengemeinde Zum Guten Hirten, Godshorn

Aus der Forschung wissen wir inzwischen sehr viel über das Entstehen von Aggressionen und Konflikten. Seit in den frühen Steinzeitkulturen Menschen aufeinandertrafen, gab es schon Konflikte, wenn der Stallgeruch der anderen Gruppe nicht mit der eigenen übereinstimmte.
In der Regel hatten die Männer Angst, es würden sich Rivalen in ihrem Geruchsbereich einnisten und ihre Gene letztlich aus dem Lebensbereich verdrängen. Die Neuankömmlinge hatten meistens andere Hormone und Gene. Das bewirkte eine diffuse Angst, Abwehrverhalten und in der Konsequenz daraus Aggressionen, handgreifliche Konflikte oder sogar Kämpfe. Das geschah als Reaktion der Gefühle, ohne großes Nachdenken.
Heute sind wir natürlich keine Steinzeitmenschen mehr, aber wir werden immer noch von diesen unbewussten Mechanismen gesteuert. Dort wo Aggression entsteht, Ausgrenzung, Neid, Hass oder Krieg ist oft Angst im Spiel oder sogar der Auslöser. Vielfach ist es die Angst, zu wenig zu haben, untervorteilt zu werden, etwas zu verlieren, Nachteile in Kauf nehmen zu müssen.
Unsere Reaktionen auf diese Ängste werden nicht automatisch durch den Verstand gesteuert werden, sondern laufen seit Jahrtausenden unbewusst ab. Deshalb ist es umso notwendiger, uns solche Prozesse über den Verstand zu erarbeiten, um sowohl der Angst, aber auch den daraus entstehenden Konflikten nicht unmittelbar ausgeliefert zu sein. Zum Beispiel, wenn wir Fremdes und Fremde besser kennenlernen und einschätzen können, verschwindet die Angst und wir lernen das Fremde sogar zu schätzen.
Dies geschah übrigens schon in der Frühzeit, denn ohne Durchmischung der Gene und damit verbunden Stärkung der körperlichen Abwehrkräfte hätte die Menschheit nicht bis heute überlebt. Für ein friedliches Miteinander von sich zunächst fremden Kulturen ist es also notwendig, das Fremde erst einmal kennen zu lernen, um dann dessen Vor- oder Nachteile zu erfahren. Man muss sich, wie die alten Griechen schon wussten, erst einmal mit dem Anderen auseinandersetzen, bevor man sich letztlich zusammensetzen kann.
In unserem ganz aktuellen Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen gilt dies für beide Seiten. Denn auch die Flüchtlinge haben ihre ureigenen Ängste mitgebracht, wenn sie sowieso nicht schon durch das Erlebte traumatisiert sind. Und wir hier in Deutschland sollten unsere Urängste wahrnehmen, aber auch den persönlichen Kontakt zu Flüchtlingen wagen und versuchen, die „Fremden“ besser kennenzulernen. Auf diese Weise können wir auch die Chancen für uns und unser Land kennen lernen, die sich durch die Flüchtlinge bieten. Daran können wir zeigen wie Kultursensibel wir sind. Hilfreich spricht uns Jesus Christus in diesem Prozess zu: „In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden“. (Joh. 16,33). Im Reich Gottes wird das Fremde zum Nächsten.