Wer hat Schuld?

Pastor Torsten Kröncke, Ev.-luth. Elisabethkirche Langenhagen

Foto: Lutz Bornemann
Foto: Lutz Bornemann

Bei Hannover 96 ist der Schuldige ausgemacht worden. Horst Heldt, dem Manager, wird die Misere des Noch-Erstligisten zur Last gelegt. Er musste seinen Hut nehmen und gehen. Vor einige Wochen war dafür noch der Trainer André Breitenreiter verantwortlich gemacht worden. Ich habe ehrlich gesagt das dumme Gefühl, dass es womöglich an ganz anderen Dingen liegen könnte, dass es mit dem Verein derzeit immer weiter bergab geht. Denn ist ein bekanntes Muster, das da gerade abläuft. Ein Sündenbock muss her, dem lädt man die Schuld für alles Mögliche auf. Dann hat der Rest der Belegschaft erst einmal Ruhe und kann weiter vor sich hin wurschteln.

So ist das nicht nur im Profi-Fußball. Es ist immer entlastend, wenn ich mit dem Finger auf andere zeigen kann und sage: „Der war’s.“ Dann bin ich aus der Schusslinie. Das scheint sogar ein zutiefst menschlicher Reflex zu sein. Ein kleines Erlebnis dazu: Ich erwischte vor Jahren einen Jugendlichen, als er gerade mit einem brennenden Feuerzeug und einer Spraydose versuchte, unsere Mülltonne in Brand zu setzen. Ich rief ihn von hinten an: „Ey Daniel! Hör sofort auf damit!“ Er drehte sich erschrocken um, versteckte Spray und Feuerzeug vergeblich hinter seinem Rücken und sagte: „Ich war das nicht!“ Und er meinte das tatsächlich irgendwie ernst. Ich konnte in dem Moment leider nicht ernst bleiben und habe laut loslachen müssen. Eine Standpauke hat Daniel danach aber trotzdem noch zu hören bekommen.

Schuld und Verantwortung – das sind Dinge, vor denen sich die meisten Menschen gerne drücken. Auch wenn wir sonst gerne „ich zuerst!“ rufen – an dieser Stelle werden wir fast alle eher zurückhaltend. Dabei wäre es so wichtig und auch heilsam, gerade hier auch einmal „ich“ zu sagen. „Ich habe Schuld. Ich trage die Verantwortung.“ Ehrlich gesagt geht es mir immer besser, wenn dieser Satz fällt. Egal, ob ihn jemand anders sagt oder ich selbst. Denn es entlastet, wenn jemand zu dem steht, was er oder sie gesagt oder getan hat. Es befreit und ermöglicht einen Neuanfang. Und den brauchen wir wohl alle von Zeit zu Zeit – nicht nur Hannover 96.

Zurück