„Solidarität und Spendenbereitschaft sind historisch“

Bilanz zu einem Jahr Krieg in der Ukraine

7. Februar: Anna Yurchenko vor ihrem zerstörten Haus in Ivanivka. Dank der Winterhilfe der Partnerorganisation Vostok SOS erhielten sie und ihre Nachbarn warme Decken. Foto: Siegfried Modola, Diakonie Katastrophenhilfe
7. Februar: Anna Yurchenko vor ihrem zerstörten Haus in Ivanivka. Dank der Winterhilfe der Partnerorganisation Vostok SOS erhielten sie und ihre Nachbarn warme Decken. Foto: Siegfried Modola, Diakonie Katastrophenhilfe

Knapp ein Jahr nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine haben Diakonie Katastrophenhilfe, Brot für die Welt und Diakonie Deutschland jetzt gemeinsam Bilanz gezogen. „Die Solidarität und Spendenbereitschaft in Deutschland haben Hilfsmaßnahmen ermöglicht, die vom Umfang und Tempo historisch sind“, sagte Dagmar Pruin, Präsidentin von Diakonie Katastrophenhilfe und Brot für die Welt. Sie appellierte, diplomatische Wege für ein Ende des Krieges nicht aus dem Blick zu verlieren. Ulrich Lilie, Präsident der Diakonie Deutschland, dankte den vielen engagierten Menschen in Deutschland, die die Aufnahme rund einer Million Geflüchteter möglich machten. Er warnte jedoch, dass das Ehrenamt vielerorts an seine Kapazitätsgrenzen stoße und die Hilfe weiter professionalisiert werden müsse.

„Ein Ende des Krieges ist nicht in Sicht. Wir alle brauchen einen langen Atem“, sagte Dagmar Pruin auf einer Pressekonferenz in Berlin. Sie dankte den Spenderinnen und Spendern für knapp 68 Millionen Euro, die die Diakonie Katastrophenhilfe für die Ukraine-Nothilfe bisher erhalten hat. Zwei Drittel davon waren Ende Januar bereits für 30 Nothilfeprojekte in zwölf Ländern ausgegeben oder für weitere Maßnahmen eingeplant worden. „Diese schnelle und umfangreiche Hilfe in der Ukraine, den Anrainerstaaten und auch in Deutschland ist durch die langjährige Zusammenarbeit mit lokalen Partnerorganisationen und kirchlichen Netzwerken möglich“, unterstrich Pruin.

Mehr als 600.000 Menschen wurden bisher durch die Hilfe erreicht. Betroffene des Krieges erhalten unter anderem Geldleistungen und Gutscheine, psychosoziale Unterstützung oder Hilfsgüter wie Nahrungsmittel und Hygieneartikel. „Schon viele Jahre vor dem Angriff Russlands am 24. Februar 2022 haben Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe mit lokalen Partner:innen zusammengearbeitet und zivilgesellschaftliche Strukturen gestärkt. Das hat sich jetzt bewährt, denn es sind unsere lokalen Partner:innen, die die Menschen weit im Osten der Ukraine heute erreichen können.“

Es sei wichtig, einen langandauernden Krieg zu vermeiden: „Der Solidarität und dem Durchhaltewillen der ukrainischen Bevölkerung gebührt meine allerhöchste Anerkennung. Diese Kraft ist jedoch endlich und wir müssen alles tun, damit die Bevölkerung geschützt wird“, sagte Pruin. Hilfe werde deshalb geleistet, solange sie nötig sei.

Ulrich Lilie dankte den ehren- und hauptamtlich Helfenden in Deutschland. „Die Aufnahme, Versorgung und Unterbringung von rund einer Million Geflüchteter war ein enormer Kraftakt, der gelungen ist“, so Lilie. Zehn Millionen Euro aus einem Nothilfefonds der Diakonie Katastrophenhilfe ermöglichten dabei unkompliziert und schnell dringende Unterstützung. Insgesamt konnten bislang mehr als 245 Projekte in Deutschland aufgesetzt werden, in denen Geflüchtete Beratung erhalten, bei Behördengängen unterstützt werden oder Deutschkurse wahrnehmen können.

Nach den ersten Wochen der spontanen Hilfe an Bahnhöfen oder in Stadtzentren entstanden professionelle Strukturen. Diese Professionalisierung und weitere Unterstützung seien wichtig, denn auch bei vielen Beratungsstellen in der Wohlfahrtspflege und bei Ehrenamtlichen seien Kapazitätsgrenzen erreicht und Erschöpfung mache sich breit.

Lilie hob hervor, dass die Integration von Geflüchteten für die Geflüchteten selbst, aber auch für die Aufnahmegesellschaft wichtig sei. Sobald das Ankommen gelinge, insbesondere der Eintritt in die Erwerbstätigkeit, stelle die Aufnahme von Geflüchteten keine Belastung mehr für die Sozialsysteme dar. Hier liege weiterhin die Hauptaufgabe. Geflüchtete benötigten von Anfang an Teilhabechancen: „Es braucht gute Startbedingungen, insbesondere Aufenthaltssicherheit, volle Sozialleistungen und ausreichende Beratungs- und Sprachkursangebote. Je früher geflüchteten Menschen ein alltägliches Leben und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird, desto höher sind die Chancen auf eine nachhaltige Integration.“

In der Ukraine brauchen die Menschen aktuell vor allem Schutz vor der Kälte. „Die stetigen Angriffe auf zivile Infrastruktur unterbrechen die Strom-, Wasser- und Wärmeversorgung von Millionen Menschen“, berichtet Martin Keßler, Direktor der Diakonie Katastrophenhilfe, aus Sumy im Nordosten der Ukraine. Dort begleitet er unter anderem Verteilungen und besucht Wärmestuben. „Die Angriffe müssen dringend aufhören, damit die Unterkünfte der Menschen repariert werden können“, so Keßler.

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