Olympia war gestern
Superintendent Martin Bergau

Olympia war gestern. Wirklich? Ich gebe zu: Mit Begeisterung habe ich Sportarten zugeschaut, die für mich ziemlich weit hinter König Fußball rangieren.
Zum Beispiel Schwimmen. Ich weiß nun noch besser, dass ich meinen Schwimmstil dringend überarbeiten muss. Es braucht ja keine Rekorde mehr. Doch noch etwas flüssiger durch die Badeanstalt gleiten, das wäre bestimmt lohnend.
Oder Turnen, Barren und Reck, meine meistgefürchteten Geräte im Sportunterricht. Diese unglaubliche Eleganz, mit der eine Reckstange umtanzt wird! Auf Grund meiner damaligen Vermeidungserfahrungen halte ich das heute eigentlich nach wie vor für unmöglich.
Natürlich habe ich auch die anderen Berichte wahrgenommen, über die Entbehrungen, die Spitzensportler auf sich nehmen. Über die Ziele, die erreicht oder verpasst wurden. Über Tränen und Glück. Der Spitzensport ist trotz mancher Schatten nach wie vor faszinierend.
Ein Kurzbericht mit Foto ist mir aber auch in Erinnerung geblieben. Er hat mich bewegt.
Samuel Koch ist seit seinem schweren Unfall bei der letzten „Wetten, dass…“-Sendung von Thomas Gottschalk allen bekannt. Er lebt nun mit seiner schweren Behinderung. Wir wissen, welch ein begeisterter Sportler er war, dieser junge, athletische Mann.
Nun sehe ich das Bild, Samuel Koch in der Mitte, links der fabelhafte Barren-Turner Marcel Nguyen und rechts der Reck-Spezialist Fabian Hambüchen. Beide haben eine Silbermedaille errungen, wohl einen der größten Erfolge als Sportler erreicht.
Doch auf dem Foto blicke ich auf sechs Augenpaare, wach, funkelnd, kräftig im Leben. Und gefreut habe ich mich darüber, dass Samuel Koch es schafft, nach London zu reisen. Ein solcher Lebenswille ist ja nicht mit Medaillen aufzuwiegen.
Und wieder zeigt dieses Bild mir, worum es im Leben immer wieder geht: Die eigenen Gaben entdecken. Sich fordern, aber auch Grenzen wahrnehmen. Eine Balance finden. Mut zum Leben. Sich öffnen für die Möglichkeiten, die das Leben bereithält. Das gilt nicht nur für Spitzensportler. Es gilt für alle.