Mit allem, was niet- und nagelfest ist
Kreisarchivpfleger findet alten Kaufvertrag im Pfarrarchiv

Der Kaufvertrag wurde am 12. September 1864 unterschrieben; knapp drei Wochen später ging das alte Pfarrwitwenhaus in den Besitz von Friedrich Backhaus, Sohn des Anbauers Heinrich Backhaus in Brelingen, über. Der Verkauf wurde handschriftlich in einem „Kaufcontract“ festgehalten und von Heinrich Louis Willigerod, Pastor und Vorsitzender des Kirchenvorstandes, unterschrieben. Zuvor hatte bereits das Königliche Consistorium dem Verkauf des Hauses nebst knapp anderthalb Morgen Land die kirchenaufsichtliche Genehmigung erteilt.
Ralf Backhaus, ein Nachfahre des damaligen Käufers und Inhaber einer Schlachterei an der Schulstraße in Brelingen, wollte es jetzt genauer wissen: „Nach dem Tod meines Vaters habe ich keine Unterlagen darüber gefunden, wie das Haus in unseren Besitz gekommen ist“, erzählt er. Eine Nachfrage in der Brelinger Kirchengemeinde blieb zunächst erfolglos: Pastorin und Pfarrsekretärin kapitulierten vor der Fülle von Akten, die im Pfarrarchiv im Brelinger Gemeindehaus aufbewahrt wird. Karl-Heinz Friebe, Pastor im Ruhestand und alteingesessener Brelinger, wusste Rat: Nach eigenen Recherchen schaltete er Pastor Dr. Frank Foerster aus Langenhagen ein – Foerster ist Archivpfleger im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen und als Theologe und Historiker mit der Materie vertraut.
„Im Findbuch des Niedersächsischen Landesarchivs habe ich den Hinweis auf die Akte mit der Nummer 549 gefunden und damit war klar, dass der Vertrag im Pfarrarchiv in Brelingen liegen muss“, berichtet Foerster. Das Brelinger Kirchenarchiv umfasst mehrere hundert Akten in verschnürten Bündeln – ohne die Aktennummer wäre es wohl kaum möglich gewesen, den Kaufcontract mit vertretbarem Zeitaufwand ausfindig zu machen. So aber benötigten der Kreisarchivpfleger und Pastorin Debora Becker nur rund zwei Stunden, bis sie das gesuchte Papier entdeckten.

Verkauft wurden vor mehr als 150 Jahren das 1712 erbaute Pfarrwitwenhaus, ein dazugehöriges Nebengebäude sowie etwa 3.700 Quadratmeter Acker- und Gartenland. „Um auszudrücken, dass das Gebäude vollständig, jedoch ohne Mobiliar verkauft wurde, wurde die Redewendung ‚mit allem, was erd-, wand-, band-, niet- und nagelfest ist‘ verwendet“, zitiert Foerster aus dem alten Vertrag. Der hält auch fest, dass der Vorbesitzer Heinrich Schrader aus Negenborn noch das Recht zur Aberntung der Früchte auf den Grundstücken erhielt, während der Käufer den Negenborner Kleinbauern für seinen Aufwand an Düngung und Verbesserung des Ackerlandes entschädigen sollte. Als Kaufsumme wurden 600 Taler in einer ersten sowie 450 Taler mit vier Prozent Verzinsung in einer zweiten Rate vereinbart.
„Das Pfarrwitwenhaus war bis zum Zeitpunkt des Verkaufs nur selten seiner Bestimmung gemäß genutzt worden“, berichtet Archivpfleger Foerster. „Eine Ortschronik erzählt, dass es insgesamt nur dreimal von Witwen der ortsansässigen Pastoren bewohnt wurde.“ In den Zwischenzeiten stand das südlich der Kirche gelegene Haus leer oder wurde vermietet – bis sich der Kirchenvorstand, wohl aufgrund ausbleibender Mietzahlungen, 1864 zum Verkauf entschloss. Seither wird die Hofstelle Nr. 54 „Witten-Backhus“ ununterbrochen von Familie Backhaus bewohnt.
Ralf Backhaus hat die Geschichte seines Hauses nun auch schwarz auf weiß: Bei einem Ortstermin im Brelinger Gemeindehaus überreichte ihm Frank Foerster eine Kopie des Contracts aus dem Jahr 1864. „Jetzt wissen wir auch, warum wir immer alles aufheben müssen“, fügte Pastorin Debora Becker hinzu.