Gedenken an die Pogromnacht vor 80 Jahren
Was bedeutet der 9. November 1938 für Christen heute?

In Synagogen wird der Gott der Bibel angerufen, gelobt und gepriesen. Es ist der Gott, den auch wir Christinnen und Christen als unseren Gott bekennen. Eine Synagoge steht sowohl real wie auch symbolisch für die jüdische Gemeinschaft. Ein Angriff zielt auf das Herz dieser Gemeinschaft und auf ihren Gott, der zugleich unser Gott ist.
Dies erkannten 1938 nur wenige Christinnen und Christen. Die Kirchenleitung, die Pastoren und die Mitglieder standen – mit wenigen Ausnahmen – nicht in Solidarität zu den Juden. Einige beteiligten sich an der Ausgrenzung, Diffamierung und Verfolgung der jüdischen Gemeinschaft. Die meisten schauten weg, denn die Lehre der Verachtung gegenüber dem Judentum war tief verwurzelt und weit verbreitet.
Nur wenige erhoben ihre Stimme wie Helmut Gollwitzer mit seiner Predigt am 16. November 1938, am Bußtag in seiner Gemeinde in Berlin-Dahlem: „Was muten wir Gott zu, wenn wir jetzt zu ihm kommen und singen und die Bibel lesen, beten, predigen, unsere Sünden bekennen, so, als sei damit zu rechnen, dass Er noch da ist und nicht nur ein leerer Religionsbetrieb abläuft! Ekeln muss es ihn doch vor unserer Dreistigkeit und Vermessenheit. … Was sollen wir denn tun? … Nun wartet draußen unser Nächster, notleidend, schutzlos, ehrlos, hungernd, gejagt und umgetrieben von der Angst um seine nackte Existenz, er wartet darauf, ob heute die christliche Gemeinde wirklich einen Bußtag begangen hat. Jesus Christus wartet darauf!“
Christ-Sein, dem Gott Abrahams und Saras zu vertrauen, auf diesen Gott, den Vater Jesu Christi zu bauen, heißt solidarisch mit dem Volk Gottes, Jüdinnen und Juden, zu sein. Es bedeutet, Respekt und Wertschätzung zu zeigen und sich in Zeiten der Bedrohung solidarisch an die Seite des jüdischen Volkes zu stellen.
Dr. Ursula Rudnick Beauftragte für Kirche und Judentum in der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers