Es geht nicht nur um das korrekte Ablesen

Elf Frauen und Männer schlossen ersten interkulturellen Lektor*innenkurs ab

In einem Festgottesdienst nahm Daniel Wege (vorne, 2. von rechts) die Teilnahmeurkunde von Landesbischof Ralf Meister (hinten links) entgegen. Foto: Vera Christina Pabst
In einem Festgottesdienst nahm Daniel Wege (vorne, 2. von rechts) die Teilnahmeurkunde von Landesbischof Ralf Meister (hinten links) entgegen. Foto: Vera Christina Pabst

In fast allen evangelischen Kirchengemeinden leiten ehrenamtlich tätige Menschen in Absprache mit den Gemeindepfarrämtern Gottesdienste. Nun wurde in der Landeskirche Hannovers der erste interkulturelle Kurs für Lektor*innen abgeschlossen. Unter den Absolvent*innen ist auch der Burgwedeler Daniel Wege.

Sie haben doch tatsächlich Gott vergessen. Als es ihnen auffällt, schauen Daniel Wege, Andrew Holzke und Anoushirwan Baleshzar kurz betreten – und müssen dann, genau wie alle anderen im Seminarraum, herzlich lachen. „Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“, natürlich. Das werden sie künftig in ihrer Begrüßung der Gottesdienstgemeinde nicht mehr auslassen. Aber sie stehen ja noch am Anfang, die neun Frauen und Männer, die bald als ehrenamtlich tätige Lektor*innen Gottesdienste leiten werden. Ihr Handwerk gelernt haben sie im bislang ersten Kurs der Landeskirche mit interkulturellem Schwerpunkt. Jetzt überreichte ihnen Landesbischof Ralf Meister in einem Festgottesdienst ihre Teilnahmeurkunden.

Es wurme sie, dass man bei einer Stadtbahnfahrt in einer Großstadt deutlich mehr Vielfalt sehe als beim Besuch der meisten Gottesdienste, sagt Vera Christina Pabst, landeskirchliche Beauftragte für den Lektor*innen- und Prädikant*innendienst. Pabst, die lange in Südafrika gelebt hat, hat den Kurs mit angestoßen – ihr liegt es am Herzen, Menschen mit vielfältigen kulturellen Erfahrungen für die Mitarbeit in Ortsgemeinden auszubilden.

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Nadia El Karsheh konzipierte und leitete Pabst den interkulturellen Kurs. „Wir wollen, dass Menschen mit anderen kulturellen Erfahrungen nicht nur Gäste in Gemeinden sind, sondern deren Alltag mitgestalten, und dass sie sich womöglich auch für die Wahlen zum Kirchenvorstand im kommenden Jahr bewerben“, sagt El Karsheh. Immerhin 14 Prozent der Gemeindemitglieder in der hannoverschen Landeskirche hätten schließlich eine Migrationsgeschichte.

Über mehrere Monate hinweg machten die beiden Theologinnen die Gruppe in Wochenendseminaren fit für die Leitung von Gottesdiensten. Die Begrüßung samt dem „dreieinigen Gott“ sitzt inzwischen problemlos, Segen, Gebet und Predigt sind vielfach besprochen und erprobt. Einige der Teilnehmenden brachten bereits langjährige Erfahrung mit Gottesdiensten in ihren Gemeinden mit. Dennoch war der Kurs für einige der elf Teilnehmenden wahrhaft herausfordernd: Ihre Muttersprachen, unter anderem Arabisch, Farsi und Vietnamesisch, machten „doppeltes Denken“ nötig. Menschen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen lesen Texte unterschiedlich und bringen vielschichtige kulturelle Perspektiven mit ein – anders als wohl die meisten der bereits ausgebildeten rund 1.500 Lektor*innen in der Landeskirche.

Zwei wesentliche Bausteine gibt es in deren Ausbildung: Kenntnisse über den Ablauf eines Gottesdienstes und die Aneignung einer Lesepredigt. Wer den Kurs absolviert hat, predigt nämlich nicht mit eigenen Worten, sondern nutzt eine vorbereitete Predigt aus Sammlungen, die von der Kirche autorisiert sind. Darin sollen dann durchaus Passagen mit eigenen Worten individuell gefüllt werden. „Auf Deutsch so zu predigen, das ist richtig schwer“, sagt die 27-jährige gebürtige Libanesin Reem Antonios, die in der arabisch-deutschen Gemeinde in Hannover-Vahrenwald aktiv ist. „Mir geht es ja schließlich nicht nur um das korrekte Ablesen. Ich will den Leuten in die Augen schauen und auf sie reagieren können.“

Und das ist gar nicht so einfach, wenn die Nervosität zuschlägt, weil alle einen anschauen. Umso wichtiger ist es, dass sprachlich keine Fragen offenbleiben. So arbeitet bei der Gruppenarbeit im Seminarraum ein Mann aus dem Iran mit einer englischen Bibel und parallel mit einer App auf dem Smartphone mit der persischen Textversion. Neben ihm blättert eine Teilnehmerin durch ihre vietnamesische Bibelversion und bereitet eine zweisprachige Lesung vor. Akribie ist offenbar eine wesentliche Voraussetzung, um diesen Kurs zu meistern.

„Ich nehme die Mühe gern auf mich und schaue mir die Texte ganz genau an, um die Emotionen zu verstehen“, sagt Anoushirwan Baleshzar, geboren im Iran. „Sonst ist es am Ende nur eine trockene Übersetzung, aber die Botschaft fehlt.“ Quelle: Alexander Nortrup/epd-Contentwerkstatt

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