Ein Ort auch für die Klage
Im Turmraum der Michaeliskirche ist eine „Klagemauer“ entstanden

„Gerade haben Menschen viel auszuhalten“, sagt Pastor Thorsten Buck aus Bissendorf. „Die Corona-Krise belastet Beziehungen, Zukunftspläne, Freundschaften. Zwischen Öffnung und Vorsicht ist eine große Unsicherheit zu spüren, auch der Ton in der Auseinandersetzung um den richtigen Weg ist rauer geworden.“
Für Jüd*innen und Christ*innen gehöre es zum Leben, Gott auch die Dinge zu klagen, die das Leben belasten, fährt Buck fort. Auch die Psalmen der Bibel sind voll davon, dass Menschen zum Ausdruck bringen, wie verzweifelt, wütend, ängstlich oder traurig sie gerade sind. „Dies geschieht im Vertrauen darauf, dass Gott Anteil nimmt an dem, was die Menschen beschäftigt, und in der Hoffnung, dass Gott diese Klage verwandeln werde.“
Im Turmraum der Michaeliskirche in Bissendorf ist in den vergangenen Tagen eine „Klagemauer“ entstanden. Kirchenvorsteherinnen und Gemeindeglieder, die in anderen Zeiten regelmäßig zum Gebet zusammengekommen sind, haben hier einen Ort geschaffen, an den die Klagen gebracht werden können. Dort ist Raum, die eigenen Gedanken niederzuschreiben oder aufgeschrieben mitzubringen und in die Mauerritzen der Klagemauer zu stecken. „Es geht darum, das Schwere auch ablegen zu können“, sagt Bissendorfs Pastor.
Die abgelegten Klagen werden regelmäßig gesammelt und sicher verwahrt. „Wir sind sicher, dass es gut tut, loszulassen“, erklären Thorsten Buck, Gerlinde Haug, Katrin Möhlecke, Sandra Heidrich und Christoph Biester, die die Steine gemeinsam aufgebaut haben. „Zu Ostern werden wir alle diese Klagen bei Sonnenaufgang im Osterfeuer verbrennen – als Zeichen dafür, wie sehr wir uns neue Hoffnung und neues Leben wünschen.“