Auf der Suche nach Gerechtigkeit
„Kirche trifft Justiz“ zeigt manche Gemeinsamkeit

Die Verbindung zwischen Kirche und Justiz habe für ihn zunächst nicht auf der Hand gelegen, gestand Dr. Michael Siebrecht in seinen Begrüßungsworten. Rund 65 Interessierte konnte der Direktor des Amtsgerichts Burgwedel am Freitag vergangener Woche im Amtsgericht willkommen heißen; sie alle waren der Einladung des Kirchenkreises zu der Veranstaltung „Kirche trifft Justiz“ gefolgt.
„Die Kirche steht für den Glauben und die Religion, die Justiz steht für die Gerechtigkeit“, so Michael Siebrecht weiter. Beim Nachdenken über die Verbindungslinie zwischen beiden sei er schließlich auf das Evangelium des Matthäus mit seinen starken Bezügen zur Gerechtigkeit vor Gott, vor den Mitmenschen und vor sich selbst gestoßen, zusätzlich zu einem weiteren Anknüpfungspunkt, den Richterin Dr. Astrid Borsch in den Blick rückte: „Ohne Liebe zu den Menschen kann man diesen Beruf nicht tun“, erklärte sie mit Blick auf ihre nicht seltenen Zivilverfahren, die sich an geringfügigen Geldbeträgen oder auch einer zu hoch gewachsenen Gartenhecke entzünden. „Die Liebe zu den Menschen ist etwas, was uns grundlegend verbindet“, nahm Superintendent Holger Grünjes diesen Faden auf.
Nach einer Informationsrunde, in der Michael Siebrecht gemeinsam mit drei Richterinnen und einer Gerichtsvollzieherin das Amtsgericht Burgwedel sowie seine Arbeitsbereiche und Zuständigkeiten vorstellte, gab Dr. Stephanie Springer, Präsidentin des Landeskirchenamtes und Juristin, in ihrem Vortrag „Chancen und Grenzen der Justiz“ Impulse für das folgende Podiumsgespräch. „Das Gegenstück zum Recht ist nicht die Freiheit sondern es sind Unrecht und Willkür“, formulierte sie das grundlegende Selbstverständnis der Justiz. Alles Rechtstun sei ein Abwägen im Einzelfall zwischen den Anforderungen der Gesellschaft und den Bedürfnissen des Einzelnen; dabei habe die Justiz auch miteinander kollidierende Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Die Grundrechte per se seien jedoch nicht verhandelbar: „Die unantastbare Würde des Menschen leiten wir Christinnen und Christen auch von der Gottesebenbildlichkeit her.“
In den Blick rückte Stephanie Springer auch die im Einzelfall bestehende Spannung zwischen Moral und Recht: „Juristische Normen sind nicht vollständig deckungsgleich mit moralischen Normen“, erläuterte sie am Beispiel des Polizisten, der einem Kindesentführer mit Folter gedroht hatte, um den Aufenthaltsort des Opfers zu erfahren. Dennoch: „Das Recht ist das Mittel, mit dem wir Gerechtigkeit suchen.“
Sehr deutlich wurde im anschließenden Podiumsgespräch das engagierte Bemühen der beteiligten Richterinnen um einvernehmliche Lösungen: Insbesondere Kindschafts- und Familiensachen sind ein hochsensibler Bereich, in dem viel Wut und Aggression, Trauer und Angst zum Tragen kommen, gleichzeitig Wege für alle Beteiligten gefunden werden müssen, mit diesen Gefühlen weiterzuleben. Vor diesem Hintergrund, so Michael Siebrecht, sei es erklärlich, dass nicht etwa Strafrichter sondern die Richterinnen und Richter an Familiengerichten die am stärksten gefährdeten Personen im Gerichtssaal seien.