„Wir haben nie aufgehört, Gottesdienste zu feiern“

Kirchengemeinde Brelingen gewinnt neue Zugänge zu den Menschen

Marion Bernstorf (von links), Debora Becker mit Tochter Henrike und Superintendent Holger Grünjes haben sich zum Gespräch in der Brelinger „Freiluft-Kirche“ am alten Backhaus verabredet. Foto: Andrea Hesse
Marion Bernstorf (von links), Debora Becker mit Tochter Henrike und Superintendent Holger Grünjes haben sich zum Gespräch in der Brelinger „Freiluft-Kirche“ am alten Backhaus verabredet. Foto: Andrea Hesse

„Wir haben auch in der Corona-Krise nie aufgehört, Gottesdienste zu feiern“, sagt Debora Becker, Pastorin der evangelischen Kirchengemeinde St. Martini in Brelingen. „Ich habe in den zurückliegenden Wochen sogar gelernt, neu und anders zu predigen: Ich versuche, stärker zu erspüren, was meine Worte auslösen und bin dichter dran an den biblischen und aktuellen Inhalten.“

Natürlich hat Becker die große Brelinger Kirche und das Gemeindehaus in Abstimmung mit dem Kirchenvorstand in den vergangenen Wochen verschlossen gehalten – der Kampf gegen die Ausbreitung des Corona-Virus hatte Vorrang gegenüber Gottesdiensten, Konzerten und Versammlungen. Doch schon im März, als klar wurde, dass die klassischen Gottesdienste in der Kirche über Wochen nicht möglich sein würden, fand die Pastorin einen anderen Weg, mit ihrer Gemeinde in Kontakt zu bleiben. „Ganz spontan habe ich das, was ich sonst erzählt hätte, ausgedruckt und vor der Kirche zum Abholen bereit gelegt“, berichtet sie. Schon in der zweiten Woche wurde dieser „Gottesdienst to go“ professioneller: An Wäscheleinen wurden die Texte vor der Kirche, auf zwei Friedhöfen und an zwei Kapellen in den Ortsteilen angeklammert.

Die Resonanz überraschte sowohl die Pastorin selbst als auch Marion Bernstorf, Vorsitzende des Kirchenvorstandes: An den folgenden Sonntagen wurden regelmäßig 60 bis 85 Exemplare des gedruckten Gottesdienstes abgeholt, darüber hinaus vielfach aus dem Internet heruntergeladen. „Wir erreichen jetzt mehr und andere Menschen als mit unseren Gottesdiensten in der Kirche“, sagt Bernstorf. „Aus den Rückmeldungen hören wir auch, dass die Menschen jetzt anders wahrnehmen, was wir tun – das ist manchmal sehr berührend. Und die Konfis nehmen vollkommen  freiwillig an den Video-Meetings teil.“

Zu ihren Konfirmand*innen und deren Familien fand Debora Becker in der Corona-Krise einen ganz neuen Zugang: Auf die Frage, wie die Jugendlichen denn nun an ihre Gottesdienst-Unterschriften kommen sollten, schlug sie vor, die Gottesdienste to go an der Kirche abzuholen und sie mit der Familie am Frühstückstisch zu feiern. „Anschließend unterschreiben dann eure Eltern“, teilte sie den Konfis mit und wünschte sich darüber hinaus Fotos von den Andachten in den Familien. Dass das geklappt hat, erfüllt die Pastorin mit besonderer Freude: „Die Konfis kommen sonst nicht mit ihren Eltern in den Gottesdienst.“

Am 24. Mai wird die Brelinger Kirchengemeinde den ersten Gottesdienst nach der Corona-Pause in ihrer Kirche feiern. Debora Becker und Marion Bernstorf freuen sich darauf; mit dieser Freude verbunden ist aber auch ein Zwiespalt: „Mein erster Gedanke zur Verordnung des Landes Niedersachsen war: So möchte ich nicht Gottesdienst feiern“, erzählt die Brelinger Pastorin. Mittlerweile hat sie sich an den Gedanken gewöhnt und die Kirche bereits gemeinsam mit ihrem Kirchenvorstand hergerichtet, um Abstands- und Hygieneregeln einhalten zu können. Dennoch: „Ich habe das neue Format liebgewonnen und fühle mich den Menschen auch in dieser Zeit durchaus nahe“, sagt Debora Becker und Marion Bernstorf ergänzt: „Wir wollen den neuen Kreis an Interessierten auch weiterhin mitnehmen und uns die neuen Formen bewahren.“  

Superintendent Holger Grünjes teilt diesen Wunsch: „Kirche als wandelndes Gottesvolk – das ist hier in Brelingen in dieser herausfordernden Zeit gut gelungen“, sagt er. Auf jeweils eigenen Wegen hätten sich auch alle anderen Gemeinden im Kirchenkreis der Herausforderung mit viel Herzblut gestellt: „Sie alle haben großartige Lösungen gefunden, um Kirche zu sein und zu bleiben.“ Hochachtung empfinde er insbesondere auch vor den ehrenamtlichen Kirchenvorsteher*innen, die mit großem persönlichem Einsatz das Kirche-Sein möglich gemacht hätten. Für die kommende Zeit, so der Superintendent, wünsche er sich, dass sich alle Gemeinden Zeit nähmen, auch für den Ausgang aus dem Lockdown ihre jeweils eigenen Lösungen zu entwickeln.

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