Weihnachten 2020 –Grenzerfahrungen

Foto: Thorsten Kröncke
Foto: Thorsten Kröncke

In diesem Jahr ist alles anders, stiller, bescheidener. Grenzerfahrungen.

An diesem Weihnachten erleben wir, dass wir nichts als selbstverständlich voraussetzen können. Alles, was wir in den Jahren vorher gerne beklagt haben, fehlt: dichtes Gedränge in den Kaufhäusern, gehetzte und genervte Menschen auf der Jagd nach dem perfekten Geschenk. Alles ist verhaltener, ja ausgebremst.

Wir werden nicht wie gewohnt dicht an dicht in der Kirche sitzen, warm und geborgen. Viele von uns werden eher erleben, wie einsam Weihnachten auch sein kann. So wie bei Maria und Joseph damals, die an einem kalten und unbehausten, unwirklichen Ort ihr Kind zur Welt brachten. Vielleicht wird es regnen, auf alle Fälle wird es kalt sein. Nein, es wird nicht sein wie immer

Aber: Weihnachten wird für uns bedeutsam als Fest des Glaubens, wenn es uns anrührt, wenn es etwas in uns zum Klingen bringt. Im Mittelalter schrieb der große christliche Mystiker Meister Eckart: „Wenn die Weihnachtsgeschichte nicht in mir geschieht, was hilft sie mir dann? Gerade, dass sie auch in mir geschehe, darin liegt ja alles!“

Ich schaue auf Maria und Joseph. Was haben die beiden falsch gemacht? Hätten sie dem Befehl des Kaisers nicht gehorchen sollen? Hätte Joseph auf sein Recht auf eine vernünftige Unterkunft für seine Frau pochen sollen? Naive Fragen, ganz klar. Aber so denken wir: Wenn nicht alles seine Ordnung hat, dann muss doch irgendeiner Schuld haben.

Doch hier ist alles anders. Maria und Joseph ziehen voll Vertrauen nach Bethlehem. Sie werden Opfer von Willkür und Gleichgültigkeit. Und Gott befreit sie nicht aus ihrer Not. Im Gegenteil. Auf den Stall folgt die Flucht nach Ägypten. Aber ihr Glaube wird nicht erschüttert, er wird verwandelt. Sie begegnen dem Gott, der für sie da ist in ihrer Not. Sie sehen ihn in den Hirten, die ihre Scheu überwinden und Maria und Joseph in ihrem Elend besuchen. Sie spüren seine Kraft in den drei Weisen aus dem Morgenland, die das Licht der Welt suchen und es finden in diesem wehrlosen Kind. Sie fragen nicht nach dem Warum. Sie feiern das Leben, mitten in Wahnsinn und Angst. Das ist die Geburt des Glaubens.

Ich wünsche Ihnen frohe Weihnachten und ein segenreiches Jahr 2021.

Ihr Superintendent

Holger Grünjes

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